diesen Kommentar bitte stehen lassen Hauptseite | Literatur | Literatur-Begriffe A-Z | M | Märchen


Bitte Krümelpfad oben nicht verändern, erst ab hier nach unten Texte ändern

Märchen

Beim Wort „Märchen“ kommen jede Menge Erinnerungen hoch: Rotkäppchen, Aschenputtel, Dornröschen – den Gebrüdern Grimm sei Dank. Aber auch die Science-Fiction-Filmreihe? „Krieg der Sterne“ ist im weitesten Sinne ein Märchen.

Definition

Frau im Mond - (c) Marion Löffler/pixelio.de

Märchen sind Prosaerzählungen, die übernatürliche Elemente enthalten und insofern als frühe Vorläufer der phantastischen Literatur gelten können. Ihre Stoffe stammen aus mündlich überlieferten volkstümlichen Traditionen. Der Begriff ist abgeleitet vom mittelhochdeutschen „maere“ (Kunde, Nachricht).

Märchen können je nach Erzähler unterschiedlich ausgeformt sein. Fest sind jedoch in der Regel ihr Erzählkern (Handlung, Figuren, Motive oder Bildsymbole wie die Dornenhecke in „Dornröschen“). Unterschieden wird zwischen Volksmärchen? einerseits und Kunstmärchen? andererseits. Märchen und ihre Motive sind eine wichtige Quelle auch für die Fantasy-Literatur?.

Foto: Marion Löffler / www.pixelio.de

Merkmale

Volksmärchen? und Kunstmärchen? haben unterschiedliche Charakteristika. Volksmärchen? gelten als einfache Form. Das heißt, sie sind als vor-literarische Form von mündlicher Weitergabe und und Volkstümlichkeit geprägt. Daher rührt auch ihre Formelhaftigkeit, die sich etwa in wiederkehrenden Eingangs- und Schlussätzen äußert. Der Held des Volksmärchens geht stets allein seinen Weg.

Im Gegensatz zum anonymen Volksmärchen? zählt man das Kunstmärchen? zur Individualliteratur?. Denn es wurde von einzelnen Dichtern geschaffen und verschriftlicht. Dabei handelt es sich um eine bewusste künstlerische Schöpfung. Es bleibt dem Autor überlassen, ob er sich eng an das Schema des Volksmärchens? hält und dessen Motive aufgreift – oder ob er phantastische Wundergeschichten neu erfindet. Eine Beziehung zum Volksmärchen? bleibt in dieser Dichtung aber in jedem Fall durch den Aspekt des Übernatürlichen erhalten.

Im Unterschied zu Sagen beziehen sich Märchen meist nicht direkt auf historische Orte, Zeiten oder Personen. Oft behandeln sie den Gegensatz zwischen Gut und Böse – mit der Konsequenz, dass die Guten belohnt und die Bösen bestraft werden. In vielen Märchen tauchen phantastische Wesen wie Hexen, Zauberer, Zwerge, Elfen, Feen oder Fabeltiere (Drachen, Einhörner) auf.

Märchenhafte Erzählungen und Überlieferungen kennen wir aus allen Völkern und Kulturen. Dabei gibt es international sich wiederholende Motive. Diese lassen sich mit gemeinsamen Traditionen und gegenseitiger Einflussnahme begründen. Teilweise sind Volksmärchen? entstanden auf der Basis von längst vergessenen Mythen. Das deutsche Märchen „Frau Holle“ geht vermutlich auf die Verehrung einer vorchristlichen Gottheit zurück.

Märchentypen und -Motive

Die Brüder Grimm unterteilten Volksmärchen folgendermaßen:

  • Tiermärchen
  • Schwank
  • eigentliche Volksmärchen (weiter untergliedert in Legende, Zaubermärchen und Märchen vom überlisteten Teufel)

Hinzu kommen Feenmärchen, die im arabischen Raum wurzeln und in der Kreuzzugszeit nach Europa einwanderten.

Tyische Märchenmotive sind: die schlafende Schöne, das ausgesetzte Kind, die Bedrohung durch wilde Tiere, drei Wünsche, die Heirat zwischen Prinz und armem Mädchen, die Nixe oder Seejungfrau.

zum Artikel Motiv

Entstehung

Zu welchem Zeitpunkt die ersten Märchen entstanden sind, ist nicht geklärt. Die ältesten archäologischen Spuren von mythischen Ausdrucksformen, zum Beispiel in der Felsmalerei, lassen vermuten, dass diese gleichzeitig verbal ausgedrückt wurden. Dies wäre eine mögliche Begründung für den Ursprung von Märchen.

Was man sicher weiß: Volksmärchen? stammen in ihrer ältesten bekannten Form aus dem Orient. Von dort aus gelangten sie schon weit vor den Kreuzzügen ins Abendland. Schon in der Antike, später auch im Mittelalter? sind sie ein fester Bestandteil epischer Dichtungen. Das gilt zum Beispiel für germanische Heldensagen oder keltisches Märchengut (Großbritannien).

Entwicklung

Zunächst gab es über lange Zeiträume nur mündlich weitergegebene Volksmärchen? unbekannter Herkunft. Seit es im Mittelalter die Möglichkeit schriftlicher Überlieferungen gibt, werden Märchen auch literarisch festgehalten. Die Einführung des Buchdrucks? in der Neuzeit sorgte für eine weit reichende Verbreitung.

Schriftliche Märchensammlungen gibt es in jedem Kulturkreis. Die morgenländischen Erzählungen aus „1001 Nacht“ etwa, die vermutlich im 8. Jahrhundert vom Persischen ins Arabische übersetzt wurden. Über Jahrhunderte wurden sie mit immer wieder neuen Geschichten angereichert und gelten zugleich als ein Stück Weltliteratur?.

Die älteste erhaltene arabische Sammlung von „1001 Nacht“ ist die „Galland-Handschrift“, die um 1450 entstand. Benannt wurde sie nach ihrem Entdecker Antoine Galland? (1646-1715). Der sorgte mit seiner zwölfbändigen Übersetzung ins Französische (1704/08) für die europäische Rezeption der orientalischen Märchen.

Wachsende Popularität dank Galland

Gallands? Zeitgenosse und Landsmann Charles Perrault? (1628-1703) wiederum erlangte 1698 durch seine Märchensammlung „Contes des Fées“ (Feenerzählungen) Berühmtheit. Mit diesem Buch sorgte er schließlich für wachsende Popularität des Genres in Frankreich und in ganz Europa. Auch deutsche Autoren wie die Gebrüder Grimm oder Ludwig Bechstein? sind stark von ihm beeinflusst. Schließlich leitet sich der englische Ausdruck „fairy tales“ (Märchen) davon ab. Das Element des Zauber- und Fabelhaften zeigt sich hier schon in der Namensgebung.

Perrault? hatte bereits zuvor zwischen 1691 und 1694 mit Erfolg drei märchenartige Verserzählungen in Frankreich veröffentlicht. 1697 publizierte er eine weitere Sammlung mit acht Märchen („Histoires ou contes du temps passé, avec des moralités: contes de ma Mère l’Oye“). Damit wurde die Gattung Märchen zu einer Lieblingslektüre der französischen Leser.

Die darin enthaltenen Märchen stammten aus mündlicher Überlieferung aber auch von anderen Autoren wie den italienischen Märchensammlern und -erzählern Giovanni Francesco Straparola? (1480-1558) oder Giovanni Battista Basile? (1575-1632). Straparola? zählt zu Europas ersten Märchensammlern. Sein Werk „Die ergötzlichen Nächte“ (1550/53) gilt ebenso als Märchen- wie als Novellensammlung. Er ist der erste Märchenerzähler, der in großem Umfang volkstümliche Stoffe phantastisch erzählt und so dem Bedürfnis des Volkes nach Unterhaltung entgegenkommt. Basile? gilt allgemein als Europas erster großer Märchenerzähler („Das Märchen der Märchen“ wurde postum 1634/36 veröffentlicht).

Perrault? wiederum passte die überlieferten Märchen seiner Zeit gemäß dem Geschmack des damaligen literarischen Publikums der Pariser Salons an. So lässt er auf einzelne Texten, die bewusst in schlichter Prosa gehalten sind, jeweils eine sie geistreich kommentierende und ironisierende Moral in Versen folgen – manchmal sogar zwei, die sich gegenseitig relativieren. Viele der Märchen Perraults? wurden europäisches Allgemeingut und darüber hinaus für das Theater, das Ballett oder den Film adaptiert.

Die Gebrüder Grimm

Märchen wie „Blaubart“ oder „Der gestiefelte Kater“ fanden dank Perrault? und der Übersetzungen Ludwig Tiecks? schnell den Weg in den deutschsprachigen Raum. Zur Verbreitung von Volksmärchen? trugen hier auch die Märchensammler Johannes Praetorius? (1630-1680), Johann Karl August Musäus? (1735-1787) mit seinen „Volksmärchen der Deutschen“ (1782-1786) sowie später Ludwig Bechstein? (1802-1860) mit dem „Deutschen Märchenbuch“ (1854) bei.

Zuerst denkt man jedoch an ein Standardwerk? deutscher Literatur: die „Kinder- und Hausmärchen“ – die berühmte Volksmärchensammlung der Gebrüder Grimm aus dem Jahr 1812. Die Texte wurden mit jeder Auflage? überarbeitet, teilweise verharmlost und mit christlicher Moral angereichert. Jakob? und Wilhelm Grimm? reagierten so auf die Kritik, dass die Märchen nicht kindgerecht seien. Um dem Geschmack des meist bürgerlichen Publikums Rechnung zu tragen, wurden bestimmte Details geändert. Aus der Mutter in „Hänsel und Gretel“ wurde zum Beispiel eine Stiefmutter, da sich das Verstoßen der Kinder nicht mit dem Mutterbild des Bürgertums vereinbaren ließ. Zudem wurden sexuelle Anspielungen und Bezüge teilweise verändert oder ganz weggelassen.

Auf diese Weise verändert, wurden die Märchen erst erfolgreich: Mit der Ausgabe von 1825 kam der Durchbruch. Dazu trug auch die Sprache bei: Wilhelm Grimm orientierte sich hierbei am Deutsch der Lutherbibel?. Gleichwohl, so der Wuppertaler Philologe und Volkskundler Heinz Rölleke?, sei den Brüdern spätestens nach 1819 klar gewesen, dass die meisten der von ihnen publizierten Märchen im Ursprung weder deutsch noch aus dem Volk gewesen seien. Denn viele ihrer zumeist weiblichen Zuträger - etwa 40 Personen insgesamt - besaßen hugenottische Wurzeln oder stammten aus adligen Kreisen. Dennoch waren die Grimms der Ansicht, die Märchen spiegelten den "Volksgeist" wider.

Von den Volksmärchen? unterschieden werden die Kunstmärchen?. Sie sind stark von literarischen Strömungen beeinflusst und werden inhaltlich von individuellen Weltanschauungen und Ideen getragen. In der Romantik erreichte das Kunstmärchen deutscher Sprache einen frühen Höhepunkt und bekam wichtige Impulse für seine weitere Entwicklung.

Hans Christian Andersen

So lag die Betonung in der Frühromantik auf sehr künstlichen Schöpfungen, welche die Grenzen herkömmlicher Märchen weit hinter sich ließen und sich somit für weniger gebildete Leser schwer verständlich waren. Die Dichter der Spätromantik zogen allerdings den einfachen Märchenton vor. Der prominenteste Verfasser von Kunstmärchen? im 19. Jahrhundert war Wilhelm Hauff? (1802-1827). Unter anderem erschienen zwischen 1825 und 1827 die Titel „Die Karawane“, „Der Scheich von Alexandria“ und „Das Wirtshaus im Spessart“. Typisch für Hauffs? Märchen sind Abenteuer (auch an exotischen Schauplätzen), was sich aus seiner Begeisterung für das Fremde erklären lässt.

Von den Gebrüdern Grimm und vom deutschen Kunstmärchen? wurde der Däne Hans Christian Andersen? (1805-1875) angeregt. Er ist vielleicht der größte Märchenerzähler des 19. Jahrhunderts. Sein Stil zeichnet sich dadurch aus, das er – im Gegensatz zu den Volksmärchen – einen genauen Ort vorgibt und detailliert beschreibt. Die Sprache ist einfach gehalten, die Nähe zur kindlichen Weltanschauung gegeben. Er wollte das Wunderbare in die Wirklichkeit des Alltags hineinschreiben, ohne eine Kluft zwischen beidem entstehen zu lassen (wie es bei den Romantikern oft der Fall war).

Im 19. Jahrhundert gab es europaweit berühmte Märchensammlungen: Die „Russischen Volksmärchen“ von Aleksander Afanasjew? gehören ebenso dazu wie eine Anthologie? norwegischer Volksmärchen? von Peter Christian Asbjørnsen? und Jörgen Moe?. Im heutigen Rumänien stellte Josef Haltrich? „Deutsche Volksmärchen aus dem Sachsenlande in Siebenbürgen“ zusammen.

Moderne Märchen

Im weitesten Sinne zu den Kunstmärchen? können auch in jüngerer Zeit entstandene Fantasy-Geschichten? und Science-Fiction-Abenteuer? gezählt werden. Das schließt Verfilmungen mit ein: Zum Beispiel weist die Filmreihe „Star Wars“ (Krieg der Sterne) typische Merkmale eines Märchens auf: Es gibt nur ungenaue Ort- und Zeitangaben („Es war einmal, vor langer Zeit in einer weit, weit entfernten Galaxis ...“) und die Geschichte führt auch zu einem glücklichen Ende.

Heutzutage werden Märchen als Unterhaltung und Kunstform von und für Erwachsene zunehmend wieder entdeckt. Bekannte Märchenerzähler der Gegenwart sind aus Deutschland Frieder Kahlert?, Klaus Adam? und Mario Eberlein?, aus Österreich Folke Tegetthoff? und Helmut Wittmann? für den deutschsprachigen Raum. International gehören Radha Anjali? (Indien), Heather Forest? (USA), Jankele Ya'akobson? (Israel), Antonio Sacre? (Kuba) oder Eth Noh Tec? (Japan) zu den bekanntesten Vertretern des Genres.

Sekundärliteratur

  • Lüthi, Max / Rölleke, Heinz: Märchen. Stuttgart, Metzler Verlag 2004, ISBN: 978-3476200167
  • Mayer, Mathias / Tismar, Jens: Kunstmärchen. Stuttgart, Metzler Verlag 2003, ISBN: 978-3476141552
  • Rölleke, Heinz: Die Märchen der Brüder Grimm. Ditzingen, Reclam Verlag 2004, ISBN: 978-3150176504

Weitere Einträge zum Stichwort:

Bitte Krümelpfad unten nicht verändern


Hauptseite | Literatur | Literatur-Begriffe A-Z | M | Märchen

Daten hochladen
Buecher-Wiki Verlinken
FacebookTwitThis
Pin ItMister Wong
RSS-Feed RDF-Feed ATOM-Feed

schliessen