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Die dritte Jungfrau

von<br> Fred Vargas

„Die dritte Jungfrau“ ist ein 2007 im Berliner Aufbau-Verlag? erschienener fantastischer Kriminalroman der französischen Königin unter den Krimischreibern: Fred Vargas?. Das Buch hat alle Zutaten für einen brillanten Kriminalroman: einen gefährlichen Schatten, ein sonderbares Elixier und einen verträumten Kommissar auf Abwegen.

Kurioserweise geht es um einen Schatten, der die Vorliebe besitzt, einen Cocktail aus verschiedensten skurrilen Dingen zu mixen, um unsterblich zu werden. Wobei hier das Wort „magisches Elixier“ besser passen würde, um zugleich die gewollte Atmosphäre zu schaffen. Das Rezept dieses Trunks beinhaltet zunächst die Ermordung dreier Jungfrauen, von denen zwei schon in die Zubereitung hinzu gegeben wurden, und andere sonderbare Zutaten, die man sonst für eher ungenießbar halten würde.

Die Originalausgabe mit dem Titel „Dans les bois éternels“ erschien 2006 bei Éditions Viviane Hamy? in Paris. In Frankreich gehört Fred Vargas? schon lange zu den erfolgreichsten Krimiautoren, doch auch in Deutschland ist sie bekannt und vor allem sehr beliebt, spätestens seitdem sie 2004 den Deutschen Krimi Preis? für ihr Werk? „Fliehe weit und schnell“ verliehen bekam.

Ihr neuester Krimi, „Die dritte Jungfrau“, ist einer der wenigen, in dem Mystik und ernste Mordfälle kombiniert, aber mit einer ordentlichen Prise Humor? und Skurrilität verquickt sind. Als Leser muss man sich also darauf einstellen, beim Lesen beobachtet zu werden, da man auf Grund der hitzigen Dialoge? zwischendurch gerne laut los prusten möchte, oder einen die surrealistischen Begebenheiten so überraschen, dass man die Stirn kräuselt oder einem im schlimmsten Fall sogar die Luft weg bleibt.

Gründe für diese Gemütslagen und Reaktionen gibt es auf jeden Fall zur Genüge in diesem Krimi. Er lässt Emotionen aufkochen, heizt Vermutungen an und lässt die Angst in den Leser kriechen. Das Böse frisst sich in den Körper, bis man es schließlich mit dem Protagonisten und Kommissar Adamsberg besiegt und mit einer erleichternden Auflösung des Mordfalles belohnt wird. So ähnlich stellt sich Fred Vargas das Empfinden der Leser vor, bzw. ist es ihr Ziel diesen Effekt zu erreichen. So sagt sie, dass man sich mit dem Bösen identifizieren soll, die Angst in allen Zügen spüren, um am Ende jegliche Dunkelheit besiegen zu können. Nur zu benennen, welcher Mord begangen wurde und am Schluss zu sagen, wer der Mörder war, reicht Fred Vargas nicht. Das wäre nämlich so, als müsse man auf die Toilette und der Nachbar würde für einen gehen, stellt die Autorin der Vergleich auf.

Man merkt also, dass neben dieser mythenbehafteten Geschichte, die sich mit dem unverkennbaren poetischen Stil vermischt, auch ein anderes wichtiges Mittel verwendet wurde: Humor. Denn Humor hat die Krimiautorin reichlich. So viel, dass sie sich nicht scheut, diesen auch in ihren Figuren aufleben zu lassen. So gibt es beispielsweise den verträumten Hauptkommissar, der sich mehr auf seine Intuition als auf seinen Verstand verlässt und mit dieser Art fast eigenbrötlerisch und unkommunikativ wirkt. Das klingt vielleicht so, als könne man keine Freundschaft mit dem Helden der Geschichte schließen. Da er aber mit einer großen Portion Liebenswürdigkeit und trockenem Humor ausgestattet ist, wird er zu einem unverzichtbaren Charakter, der durch seine Eigenart dem Krimi Besonderheit verleiht und eine erkennbare Linie konstruiert.

So erschafft Fred Vargas Personen, die sich in Verbindung mit der Geschichte wie ein Ensemble zusammensetzen. Jede Figur ist auf ihre Art individuell und besitzt einen Platz im Handlungsverlauf, den es zu vertreten gilt. Durch die genauen Beschreibungen der Personen hat man als Leser ein detailgetreues Bild vor Augen und es vermittelt einem das Gefühl, als würde man jede Figur fast persönlich kennen und in der Ermittlung mitwirken. Man deckt also mit der Mordbrigade die Begebenheiten auf, die sich wie ein Puzzle aus einzelnen Teilen zusammensetzen. Dabei stößt man allerdings an Grenzen, an denen man zwischen Gut und Böse im Menschen unterscheiden muss. Auch Adamsberg wird auf die Probe gestellt. Und die Frage stellt sich, ob seine Menschenkenntnis ausreichend ist, um diese Unterscheidung vorzunehmen. So trügt manchmal eben der Schein – oder in diesem Fall der Schatten – und führt einen in die Irre. Sowohl den Leser als auch Adamsberg.

Mit den vielen verwobenen Geschehnissen wirkt der Krimi sehr gut durchdacht und bis ins kleinste Detail überlegt. Dass das Krimischreiben aber eigentlich eher der Entspannung Vargas’ dient, kann man kaum glauben. Sie lebt ihre künstlerische und fantasiereiche Seite nur in den Ferien aus, in denen sie solch einen Krimi innerhalb von drei bis vier Wochen „runterschreibt“, denn hauptberuflich ist sie Archäologin.

Die Autorin legt besonderen Wert auf die Musikalität ihrer Texte. So muss der Krimi für sie wie Musik in den Ohren klingen. Demnach repräsentiert jede Figur ein Instrument mit all seinen Feinheiten, die aufeinander antworten und somit ein Klangbild erschaffen. Dieses Klangbild kreiert eine Atmosphäre, die sich entwickelt und überraschend wandelt, aber nie die Spannung verliert. Man kann also sagen, dieser Krimi lebt vom Zusammenspiel der Charaktere. Ein Krimi, der nicht nur einen Mord darstellt, sondern auch Themen wie Rache, Hass und Liebe aufgreift.

Da der Krimi im Original französisch ist und von Julia Schoch ins Deutsche übersetzt wurde, ist die Musikalität als solche leider nicht mehr so deutlich zu erkennen. Trotzdem ist die deutsche Übersetzung sehr fließend zu lesen und die Poesie der Autorin kommt zur Geltung. Da der Krimi ein Band aus der Reihe ist, in der es um Adamsberg und seine Mordbrigade geht, fehlen einem zum Teil einige Vorkenntnisse, wenn man die vorherigen Bände nicht gelesen hat. Wirklich schaden tut es dem Krimi nicht, wobei die Verweise auf die vorherigen Bände doch ein wenig lästig sind, da man keinerlei Informationen zu den entscheidenden Situationen bekommt. Um also jegliche Ab- und Hintergründe dieses Buches verstehen zu können, ist es ratsam seine Vorgänger zu lesen. Dies würde auch verhindern, dass man sich zu Beginn des Buches durch die Erwähnung der vielen Figuren erschlagen fühlt und zunächst sortieren muss, um wen es sich im Einzelnen handelt.

Davon abgesehen ist dies ein Krimi der besonderen Sorte und mit nichts anderem zu vergleichen. Er ist also nicht nur für Krimileser geeignet, sondern für alle, die die Welt der Mystik, der Poesie und den Abgrund in die Tiefe lieben. Auf Krimiliebhaber wird dieses Buch eine erfrischende Wirkung haben, da es mehr als nur ein alltäglicher Krimi ist. Eben ein weiteres Meisterwerk aus dem Hause Vargas.

Autorin: Annike Susann Heikes

  • Vargas, Fred: Die dritte Jungfrau. Kriminalroman. Aufbau-Verlag, Berlin 2007. 480 S., 19,95 €, ISBN: 978-3351032050

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