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Kirchhoff, Bodo

Bodo Kirchhoff (geb. 6. Juli 1948 in Hamburg) ist ein deutscher Schriftsteller. Er schreibt Romane, Erzählungen, Theaterstücke und Drehbücher. Kirchhoff lebt in Frankfurt am Main und am Gardasee.

Leben und Schreiben

Bodo Kirchhoff - (c) Inge Lieberberg

Bodo Kirchhoff wurde am 6. Juli 1948 in Hamburg geboren. Sein Vater besaß eine Firma für medizinische Geräte, seine Mutter war Schauspielerin und Schriftstellerin. Kirchhoff verbrachte seine Kindheit in Hamburg und Kirchzarten / Schwarzwald, wo er die Volksschule besuchte. 1959 ließen sich die Eltern scheiden und Kirchhoff wurde kurze Zeit später Schüler der Evangelischen Internatsschule Gaienhofen bei Öhningen / Bodensee. Dort machte er 1968 das Abitur.

Nach dem Wehrdienst ging er für zwei Jahre in die USA (1970/1971) und studierte nach seiner Rückkehr in Frankfurt am Main Pädagogik, Psychologie und Soziologie. 1975 schloss er sein Studium erfolgreich mit dem Diplom ab. 1978 legte er seine Doktorarbeit über den französischen Psychoanalytiker Jacques Lacan vor: „Vom Wider-Stand zur Wider-Rede: Ergänzungen zu psychoanalytischen Theorien zur Kategorie des ‚Widerstandes’“.

Zwischen Psychoanalyse und Sprachkritik

Eine Anstellung als Heilpädagoge gab Kirchhoff nach kurzer Zeit wieder auf. Seit 1979 lebt er als freier Schriftsteller in Frankfurt am Main, später auch am Gardasee. Er schreibt Romane, Erzählungen, Theaterstücke und Drehbücher. Am Beginn seines literarischen Schaffens standen die beiden Theaterstücke „Das Kind oder Die Vernichtung von Neuseeland“ (1979) und „Body-Building“ (1979), die stark von den psychoanalytischen Theorien Jacques Lacans und Sigmund Freuds geprägt sind. Beide Stücke wurden in Saarbrücken uraufgeführt und machten Kirchhoff in der Öffentlichkeit bekannt.

Es folgten die Prosabände „Ohne Eifer, ohne Zorn“ (1979), „Die Einsamkeit der Haut“ (1981) und „Ferne Frauen“ (1987), die bei Kritik und Publikum viel Beachtung fanden. In seinen frühen Prosawerken kreist Kirchhoff um die Frage, wie viel Nähe zwischen Menschen, besonders zwischen Mann und Frau, möglich ist. Dabei spielen Themen wie Sexualität, Voyeurismus und Sprachkritik? eine wichtige Rolle. Die Literaturkritik lobte vor allem die ausgefeilte Erzähltechnik und die sprachliche Brillanz seiner Werke?. Es gab aber auch kritische Stimmen, die Kirchhoff marktschreierische Provokation und Frauenfeindlichkeit vorwarfen.

Zwischen 1981 und 1983 folgten verschiedene Reisen nach Afrika und Asien. In dieser Zeit schrieb er für "TransAtlantik" Reportagen?. 1986 bis 1987 reiste er auf die Philippinen, wo er Zeuge des Bürgerkriegs wurde.

„Parlando“ (2001)

Der Durchbruch als Schriftsteller erfolgte mit dem Roman „Infanta“ (1990), der in dem philippinischen Ort Infanta spielt und das Leben des Deutschen Kurt Lukas und der Haushälterin Mayla aus wechselnden Perspektiven schildert. In dem Roman führt Kirchhoff erstmals alle drei Themenbereiche zusammen, die sein literarisches Schaffen fortan prägten: wahnhafte Liebe, gewaltsamer Tod und unheimliche Exotik.

1991 reiste Kirchhoff in die USA und Nordafrika. 1993 hielt er sich während des Bürgerkriegs in Somalia auf.

Es folgten der Roman „Der Sandmann“ (1992), die Novelle „Gegen die Laufrichtung“ (1993) und der fürs Theater konzipierte Monolog? „Der Ansager einer Stripteasenummer gibt nicht auf“ (1994).

1996 war er nicht nur in Moskau, Lissabon und Buenos Aires, sondern arbeitete auch an mehreren Drehbüchern?. Im folgenden Jahr folgen Drehbücher für Krimiserien im deutschen Fernsehen und TV-Projekte mit seiner Frau. Auch 1999 schrieb er einige TV-Drehbücher.

Im Jahr 2001 legte Kirchhoff den Roman „Parlando“ vor, in dem er die Geschichte von Kurt Faller erzählt, der seinem Vater und dessen fataler Geliebten um die ganze Welt folgt. Kurt Faller erwacht neben einer Frauenleiche und bezichtigt sich, obwohl unschuldig, des Mordes. Diese groteske Ausgangssituation führt dazu, dass Faller sein Leben schildert und dabei die Hassliebe zu seinem Vater als mächtigster Bezugspunkt immer mehr in den Mittelpunkt rückt. Das Feuilleton war begeistert von dem Roman: So vielschichtig und noch im geringsten Detail anschaulich, so konsequent und komplex habe Kirchhoff bislang nie erzählt.

„Schundroman“ (2002)

Für Aufsehen sorgte Kirchhoff auch mit seinem 2002 veröffentlichten „Schundroman“, in dem er das Genre des Trivialromans geistreich parodiert. Der Rezensent der „Neuen Zürcher Zeitung“ feierte den Roman als „teuflisch gut geschrieben“ und urteilte, dass diese Parodie zur „vollendeten Kunstform“ aufgestiegen sei. In Kirchhoffs „Schundroman“ kommt übrigens ein Literaturkritiker gewaltsam ums Leben - ähnlich wie in Martin Walsers heftig diskutiertem Roman „Tod eines Kritikers“, der fast zeitgleich erschien.

Es folgten der Roman „Wo das Meer beginnt“ (2004), die Novelle „Der Prinzipal“ (2006) und der Roman „Die kleine Garbo“ (2006). Mit „Eros und Asche. Ein Freundschaftsroman“ (2007) veröffentlichte Kirchhoff ein stark autobiographisch geprägtes Buch, das von der Literaturkritik mit viel Lob bedacht wurde - etwa für seine originelle Konzeption, die Vergangenheit und Zeitgeschichte, gedankliche Tiefe und intellektuelle Schärfe miteinander verbinde.

„Erinnerungen an meinen Porsche“ (2009)

Im Mittelpunkt von Kirchhoffs Roman „Erinnerungen an meinen Porsche“ (2009) steht der 39-jährige Investmentbanker Daniel Deserno, der nach einem Streit mit seiner Freundin als Patient im Sanatorium Waldhaus residiert. Dort hängt er nun seinen Gedanken nach, die fast ausschließlich um Sex und Geld kreisen. Ein Rezensent fand die Verbindung von Sportwagen und Geschlecht sowie von sexuellem und finanziellem Bankrott nicht sonderlich originell. Und eine Rezensentin war mehr von Kirchhoffs enormem Schreibtempo als von seinen parodistischen Fähigkeiten beeindruckt.

"Die Liebe in groben Zügen" (2012)

Bei Vila und Renz ist alles normal: Sie sind ein Paar seit etwa 30 Jahren und aus starker gegenseitiger Anziehung ist ein ruhiges und Vertrautes Mit- und Nebeneinander geworden. Sie haben eine erwachsene Tochter, eine Wohnung in Frankfurt und ein Sommerhaus in Italien. Sie fühlen sich nicht alt, als sie Großeltern werden, stehen voll im Leben und sind erfolgreich. Ihre Ehe ist ausbalanciert, so scheint es. Da beginnt Vila mit großer Intensität einen anderen zu lieben: den Einzelgänger Bühl, Biograph eines Paars aus einer vergangenen, gottesfürchtigen Epoche. Aber auch Renz erliegt seiner krebskranken Fernseh-Producerin Marlies Mattrainer. Erzählt wird hier von der Ehe in einer Zeit, die den Moment verherrlicht. Am Ende erkennt Vila, dass der Höhepunkt der Ehe in ihrer Dauer besteht.

Auf 700 Seiten wird auf hohem Niveau ein Panorama der Gefühle zwischen Mann und Frau entwickelt, das Altern, Abschied und Tod genauso umfasst wie Sex und Begierde, Hass und Leidenschaft, Selbstlosigkeit und Verzicht, Angst, Egoismus, Vertrautheit und Bequemlichkeit. Gespielt wird im Alltag bourgeoiser Bonvivants, die von den Protagonisten früher noch als Studenten bekämpft wurden. Und so erscheinen Gardasee, Kuba, Assisi und Frankfurt als Schauplätze. Das gute Leben besteht aus exzellentem Wein, mediterranem Essen und luxuriösen Autos. Vila, bald 53 Jahre alt, und ihr 62-jähriger Ehemann Bernhard, genannt Renz, haben es sich in diesem Leben bequem gemacht. Aber unter der Oberfläche lauern Ängste, Trauer über Verpasstes, Melancholie und das Verlangen nach großen Gefühlen. Zusammen bleiben Renz und Vila am Ende, weil der gemeinsame Strom aus unzähligen Schwebteilchen tragfähiger ist als die neuen Liebesaufwallungen. Das ist lebensnah. Die unstillbare Sehnsucht nach Liebe ist die einzige schwere Krankheit, mit der man gemeinsam alt werden kann, so die Hoffnung der beiden Ehepartner, in der sie Zuflucht suchen.

Das Buch kam auf die Longlist des Deutschen Buchpreises 2012. Die Literaturkritik sah in dem Werk ein großes Buch, in dem Bodo Kirchhoff die Position des distanzierten Erzählers einnimmt, abgeklärt und manchmal klüger als seine Figuren, die er aber nicht bloßstellt oder mit Ironie bedenkt. Viele Sequenzen des Romans finden sich ähnlich auch im Leben seines Autors, doch gehen sie über eine Selbstreflexion hinaus. Und das innere Drama dieses Romans lässt sich nicht auf die Frage komprimieren, ob man sich als lang gedientes, nicht unglückliches Ehepaar noch trennen kann oder darf. Man kann die Liebe nicht verstehen, wahrscheinlich nur ahnen und Beziehung bleibt ein jeden Tag neu zu webender feiner Stoff, egal wie alt man ist.

Gleichzeitig mit "Die Liebe in groben Zügen" wurden auch die "Legenden um den eigenen Körper", Kirchhoffs 1995 erschienene Frankfurter Poetikvorlesungen, wieder aufgelegt, ergänzt um ein neues Kapitel: "Auf dem Weg zu einer Sprache der Sexualität". Darin erzählt er von einem sexuellen Missbrauch, dessen Leidtragender er als zwölfjähriger Internatsschüler wurde.

Bodo Kirchhoff ist seit 1987 mit Ulrike Bauer? verheiratet, mit der er in Frankfurt am Main und am Gardasee Literatur-Workshops? abhält.

Werk

Viele sehen das Werk? Kirchhoffs als ein Bearbeiten eigener Traumata. Er selbst schrieb in den "Legenden um den eigenen Körper" dazu: "Nicht ein auspackendes Erzählen davon hat heilende Wirkung, sondern das Übertragen in die Fiktion: eine Geschichte, die das Meine enthält, aber nicht bloßlegt." Oder an anderer Stelle sagt er, sein ganzes Schreiben sei der Versuch, "etwas zu machen, was einen gewissen Glanz hat, was über das Dunkle hinausragt", sei "ein Mittel, aus dem Schmutz und Chaos zu kommen". Dem setze er die Utopie einer zusammenhängenden Geschichte entgegen.

Übrigens ...

hat Bodo Kirchhoff auch eine glänzend rezensierte Weihnachtsgeschichte geschrieben: „Die Weihnachtsfrau“ (1997).

Kirchhoff veranstaltet mit seiner Frau jeden Sommer in ihrem Haus am Gardasee Schreibkurse.

Mit seiner Frau Ulrike Bauer? richtete er 1991 den Bettina-von-Arnim-Preis für Kurzprosa? ein, der ab 1992 von der Zeitschrift? "Brigitte" vergeben wurde.

Auszeichnungen

Werke (Auswahl)

  • Werke von Bodo Kirchhoff bei Jokers
  • Die Weihnachtsfrau. EA 1997. S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2002, ISBN: 978-3596156443
  • Parlando. EA 2001. S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2004, ISBN: 978-3596156337
  • Schundroman. EA 2002. S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2003, ISBN: 978-3596160754
  • Mein letzter Film. EA 2002. S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2004, ISBN: 978-3596160822
  • Wo das Meer beginnt. EA 2004. S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2007, ISBN: 978-3596172023
  • Eros und Asche. EA 2007. Ein Freundschaftsroman. Frankfurter Verlagsanstalt, Frankfurt am Main 2007, ISBN: 978-3627001438
  • Erinnerungen an meinen Porsche. EA 2009. Hoffmann und Campe, Hamburg 2009, ISBN: 978-3455401844
  • Die Liebe in groben Zügen. Roman. EA 2012. Frankfurter Verlagsanstalt, Frankfurt am Main 2012, ISBN 978-3627001834

Hörbücher

  • Die Weihnachtsfrau. 1 CD. Steinbach Sprechende Bücher, Schwäbisch Hall 1999, ISBN: 978-3886984695
  • Mein letzter Film. 2 CDs. Hoffmann und Campe, Hamburg 2003, ISBN: 978-3455303339
  • Parlando. 2 CDs. Universal Music, Berlin 2004, ISBN: 978-3829113922

Sekundärliteratur

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