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Vesalius, Andreas

Webseite des Übersetzungsprojekts - (c) Northwestern University

Andreas Vesalius (eigentlich Andreas Witinck, auch Vesal, geb. 31. Dezember 1514 in Brüssel; gest. 15. Oktober 1564 auf Zakynthos) war ein flämischer Arzt und Autor der Renaissance?. Zwischen 1539 und 1542 schuf er sein 639 Seiten umfassendes anatomisches Kompendium? "De humani corporis fabrica" (Über den Bau des menschlichen Körpers), das als Glanzstück der Buchkunst? in der frühen Neuzeit gilt.

Die "Fabrica" - Glanzstück der Buchkunst

Berühmter Muskelmann - (c) Yale Medical Library

Einen verrückten und lächerlichen Gotteslästerer schalt der Pariser Professor der Medizin Sylvius seinen ehemaligen Schüler Andreas Vesalius, als dieser mit der Publikation? eines anatomischen Kompendiums? wagte, sich von herkömmlichen Unterrichtsmethoden abzuwenden und neue, auf eigene Beobachtungen basierende Erkenntnisse zu verbreiten. Sylvius war nicht der einzige Gelehrte seiner Zeit, der sich vom jungen flämischen Arzt provoziert fühlte und mit öffentlichen Schmähungen reagierte; die Stichhaltigkeit von Vesalius’ Thesen und deren saubere, methodische Darstellung brachten Vesalius jedoch schon bald europaweit Ruhm ein, und heute gilt er gar als der Begründer der modernen Anatomie.

Diesen Ruf verdankt Vesalius in erster Linie seinem 1543 erschienenen Hauptwerk? "De humani corporis fabrica libri septem", kurz "Fabrica" genannt, in welchem er die altgriechische sowie die arabische Medizin erstmals einer kritischen Untersuchung unterzog und mit eigenen anatomischen Entdeckungen ergänzte.

Die "Fabrica" mag ursprünglich als ein rein wissenschaftliches Buch für angehende Anatomen konzipiert worden sein. Dessen kulturgeschichtliche Bedeutung erschöpft sich jedoch nicht in der Überwindung von mittelalterlichem, zwischen Glaube, Magie und empirischer Beobachtung angesiedeltem Gedankengut. Ganz im Geiste der Renaissance strebte Vesalius mit der "Fabrica" vielmehr ein Gesanktkunstwerk an, in dem alle Elemente, vom Inhalt über das Papier bis zum Ledereinband miteinander harmonierten.

Den Lesern wollte er sein anatomisches Wissen nicht nur in Worten, sondern auch, wie ein Vierteljahrhundert vor ihm Leonardo da Vinci, anhand von künstlerisch anspruchsvollen Illustrationen vermitteln. Leonardos Tod im Jahre 1519 setzte dessen anatomischen Forschungen bekanntlich ein jähes Ende, und so ist der Nachwelt kein abgeschlossenes Werk der Anatomie aus seiner Hand überliefert. Vesalius’ "Fabrica" füllt diese Lücke. Es markiert auf dem Gebiet der Medizin den Übergang von der Scholastik in die Neuzeit und gilt heute als eines der vollendetsten Werke des humanistischen? Zeitalters; von den noch existierenden Exemplaren ist eines etwa im Mainzer Gutenberg-Museum? aufbewahrt.

Foto: Yale Medical Library

Die Entstehungsgeschichte der "Fabrica"

Bereits 1537, im Jahre seiner Berufung an die Universität von Padua, begann sich der dreiundzwanzigjährige Vesalius mit seinem großen Buchprojekt zu befassen. Er, der schon als Kind Kleintiere seziert und sich während des Studiums auch nicht gescheut hatte, nachts Leichen aus Friedhöfen zu entwenden, um sie zu Hause zu zergliedern, wollte seinen Studenten ein Lehrbuch? in die Hand geben, das sie zum eigenen Schauen und Forschen anspornen sollte. Hierzu musste er aber den unter Medizinern eher verachteten Wissenszweig der Anatomie endlich aus der galenischen Sackgasse führen, in der sie seit Jahrhunderten feststak.

Der griechische Arzt Galen (129-200 n. Chr.), so konnte der junge Vesalius im Unterricht durch eigenhändige Sektionen beweisen, hatte selbst nie Menschen zergliedert, sondern bloß Hunde und Affen. Dass Galens irrtümliche Rückschlüsse vom Tier auf den Menschen über tausend Jahre später noch immer als unantastbare Wahrheiten gelehrt wurden, hatte mit der Unterrichtsmethode zu tun; christlichem Gebot zufolge war das Sezieren von Leichen an Universitäten gewöhnlich untersagt oder zumindest verpönt, und die Professoren begnügten sich mit dem Herunterleiern von Galens Schriften.

Vom Wissendurst des wahren Humanisten getrieben, plädierte Vesalius indessen für ein absolut empirisches Erforschen des menschlichen Körpers. Zum Unmut der Kirche ging er selbst unerschrocken mit dem Beispiel voran und konnte auf diese Weise in seiner "Fabrica" über zweihundert Fehler Galens nachweisen und korrigieren.

Die "Fabrica" enthält neben ausführlichen Erklärungen und Beschreibungen der einzelnen Knochen und Organe auch akkurate Illustrationen derselben. Hierzu sicherte sich Vesalius die Zusammenarbeit mit Stephan Calcar, einem Schüler des Malers Tizian. Mit Calcars Hilfe fertigte er Zeichnungen an, deren Feinheit und Ausdruckskraft so außerordentlich sind, dass noch heute Zweifel bestehen, ob sie nicht von Tizian selbst stammen. Berühmt und von kunstgeschichtlicher Relevanz sind vor allem die dreidimensionalen Darstellungen des Skeletts und der Muskeln; sie beeindrucken nicht nur durch ihre Eleganz und Exaktheit, sondern auch, weil Calcar die Körper nicht als tote Materie festhält, sondern in skizzierte Landschaften einbettet und so fast lebendig erscheinen lässt. Dies erfolgte auf Vesalius’ Anweisung, der seinen Studenten den menschlichen Körper als ein wunderbar funktionierendes Zusammenspiel von Knochen, Muskeln, Nerven und Blutbahnen nahelegen wollte.

Auch mit dem Frontispiz? betrat Vesalius in der europäischen Kulturgeschichte Neuland. Vor ihm hatten schon Ärzte wie Mondino de’ Liuzzi (ca. 1270-1326) und Berengario da Capri (1460-1530?) Illustrationen vom Anatomieunterricht in ihre Werke integriert. Bei Mondino und Berengario dozierte der Medicus allerdings noch von einem erhöhten Podest aus, während der Barbier unter ihm sein blutiges Handwerk verrichtete. Vesalius, der sich in einem überfüllten Hörsaal beim Sezieren einer Frauenleiche hat darstellen lassen, unterzeichnet mit seinem Frontispiz gewissermaßen ein Manifest? der medizinischen Reform. Erstmals in der Geschichte der Medizin wird hier nämlich ein Lehrer gezeigt, der die bis anhin streng voneinander getrennten Aufgaben des Dozierens, des Aufschneidens und Erklärens in ein und derselben Person vereint. Somit erlebte die Anatomie, die bisher bloß als Stiefkind der medizinischen Wissenschaften galt, durch die "Fabrica" ihre längst fälllige Rehabilitation.

Der Aufbau der "Fabrica"

Wie der vollständige Titel von Vesalius' Werk besagt, setzt sich die "Fabrica" aus sieben Büchern zusammen; ihnen geht eine längere, biographisch aufschlussreiche Widmung des Autors an den verehrten Kaiser Karl V. voran, sowie drucktechnische Anweisungen an den Basler Drucker? und Freund Johannes Herbster, genannt Oporin.

Die Gliederung der "Fabrica" lautet wie folgt:

  • Buch I - Die Knochen
  • Buch II - Die Muskeln, Sehnen und Ligamente
  • Buch III - Die Venen und Arterien
  • Buch IV - Die Nerven
  • Buch V - Die Verdauungs- und Fortpflanzungsorgane
  • Buch VI - Das Herz und die Lunge
  • Buch VII - Das Hirn und die Sinnesorgane

Als das prächtige Werk 1543 in Basel herauskam – der Autor war noch keine dreißig Jahre alt – , sorgte es in ganz Europa sogleich für großes Aufsehen und wurden zahllose mehr oder weniger akkurate Raubkopien? in Umlauf gesetzt. Dem Autor brachte die "Fabrica" die Berufung als Leibarzt an den Hof der Habsburger, ab 1544 zuerst in Brüssel, später in Spanien.

Nicht uninteressant ist die Tatsache, dass Kopernikus’? "De revolutionibus orbium coelestium" im selben Jahr wie Vesalius’ "Fabrica" erschien. Beide Wissenschaftler zeigen in ihrem Magnum Opus? neue Wege, um den Menschen in seiner Welt zu verstehen: Während Kopernikus hierzu seinen Blick auf den Kosmos richtet, schaut Vesalius nach innen, in die verborgensten Winkel des menschlichen Körpers.

Andreas Vesalius starb auf der Rückreise von einer Pilgerreise nach Jerusalem 1564 auf Zakynthos.

Übrigens ...

arbeitet ein Team von Wissenschaftlern an der Northwestern University Evanston, Illinois, seit 2003 an der Übersetzung von Vesalius’ Fabrica vom Lateinischen ins Englische. Die fortschreitende Arbeit kann online verfolgt werden. Siehe unten den Link-Hinweis.

Literatur

  • Für Freunde alter Bücher und Buchkunst: Faksimile bei Jokers

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