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Große kommentierte Frankfurter Ausgabe. Werke – Briefe – Tagebücher

von<br> Thomas Mann

Im Herbst 2001 kündigt der S. Fischer Verlag?, seit dem Erscheinen seines ersten Novellen-Bandes „Der kleine Herr Friedemann“(1898) Hausverlag Thomas Manns, dessen „Große kommentierte Frankfurter Ausgabe“ mit allen Werken?, Briefen? und Tagebüchern an. Verbunden mit dem Ziel, „den philologisch sichersten Text zu bieten“. Da die Texte Thomas Manns überwiegend in zweifelsfreier Form überliefert sind, werde zugunsten einer kritischen? Lese- und Studienausgabe von einer historisch-kritischen Edition? abgesehen, so die Herausgeber?.

Erste vollständige Ausgabe der Essays von Thomas Mann

Mit wenigen Monaten Verspätung erschienen zuerst die Bände „Buddenbrooks?“ (Text und Kommentar, Band 1.1 und 1.2), „Briefe I: 1889-1913“ (Text und Kommentar, Band 21.1 und 21.2) und „Essays I: 1893-1914“ (Text und Kommentar, Band 14.1 und 14.2). Bis jetzt liegen von den angekündigten 38 Bänden acht vor, darunter die „Essays II: 1914-1926“ (Text und Kommentar, Band 15.1 und 15.2). Auf Verlagsseite tritt die Neuedition? der Essays – von der hier gesprochen wird – zugleich in Konkurrenz und Nachfolge zu einer erst in den 1990er Jahren erschienenen sechsbändigen Essay-Auswahlausgabe. Die erste vollständige Ausgabe der Essays von Thomas Mann, die die „Große kommentierte Frankfurter Ausgabe“ (GKFA) bietet, ist ohne Zweifel der größere Gewinn.

Glücklicherweise entschied man sich in diesem Fall gegen eine historisch-kritische Ausgabe?, die mit Sicherheit ein editorischer Dinosaurier geworden wäre. Die Entscheidung für eine kritische Lese?- und Studienausgabe kann die an sie gesetzten Erwartungen erfüllen und für einen so bedeutenden Autor der klassischen Moderne? durchaus Maßstäbe setzen. Eine Textkonstitution wie die nun vorliegende, die auf eine Modernisierung verzichtet und die Texte genetisch darstellt (unter Einbeziehung von Archivmaterial?), ist nicht zuletzt wichtig für die Kommentierung. Weil Text- und Kommentarband getrennt erscheinen, ist es gar möglich, im Zuge von Neuauflagen den Kommentar zu überarbeiten und damit ein Überaltern zu verhindern.

Zwischen den Ansprüchen einer historisch-kritischen Ausgabe und der Realisation einer kritischen Studien- und Leseausgabe ist hier offensichtlich ein akzeptabler Kompromiss gefunden. Zwischen den Anforderungen der Fachdisziplin und dem allgemeinen Leseinteresse untergräbt diese Ausgabe offenbar nicht die ökonomischen Interessen des Verlages. So befindet sich der erste Essayband bereits in der zweiten Auflage.

Zwei von sieben Bänden publiziert

Die insgesamt sieben Essay-Bände sollten laut Editionsplan zügig erscheinen. Für 2003 und 2004 wurden – nicht chronologisch, wie man sieht – die „Essays IV: 1933-1939“ und „Essays VI: 1945-1950“ angekündigt, für 2005 und 2006 die „Essays VII: 1950-1955“ sowie die „Essays V: 1939-1945“. Schließlich für 2008 die „Essays III: 1926-1933“. Allerdings liegen bislang, im März 2007, nur die ersten beiden Essay-Bände vor. In dem Einführungsband zur Ankündigung der „GKFA“ sind bereits Editionsbeispiele genannt.

Renommierte Thomas-Mann-Forscher

Das Herausgebergremium der „GKFA“ zählt sieben namhafte Thomas-Mann-Forscher, darunter Heinrich Detering? (Universität Kiel) und Hermann Kurzke? (Universität Mainz), die die Edition der ersten beiden Essay-Bände verantworten. Spätere Essay-Bände werden von anderen Herausgebern? betreut, so dass nicht davon gesprochen werden kann, dieser Komplex läge in einer Editoren-Hand. Mit Stephen Stachorski? haben diese Bände einen kaum ersetzbaren editorischen Zuträger, der schon früher Thomas Manns Essays herausgegeben hat. Roland Spahr, als Lektor im S. Fischer Verlag zuständig für die Klassiker, begleitet diese Ausgabe umsichtig.

Das Prinzip des Erstdrucks?, das bei der Wiedergabe der Essays eingehalten wird, wird zugunsten einer Orientierung an der besten Textfassung? aufgehoben. Meistens ist es aber doch der Erstdruck, der berücksichtigt wird. Es liegt also keine Edition „letzter Hand“ vor. Die streng chronologische Präsentationsform führt dem Leser klar vor Augen, welche Texte bislang in Essay-Editionen von Thomas Mann fehlten. Die vom Autor selbst vorgenommene Auswahl, Gruppierung, Sammlung diente ihm noch zur Glättung und Selbststilisierung. Auf diese Weise versuchte Thomas Mann die Rezeption zu beeinflussen und die Forschung zu steuern.

Neues und lebendiges Bild

Darum lässt sich zweifelsohne sagen, dass diese Neuedition? der Essays im Rahmen der „GKFA“ dem Leser ein neues und lebendiges Bild von Thomas Mann zeigt. Dafür sorgt die große Zahl bislang unbekannter und jetzt erst neu zu entdeckender Texte.

Das essayistische Werk von Thomas Mann ist nicht weniger umfangreich als sein dichterisches. Außerdem ist es eng mit der ästhetischen Produktion des Autors verknüpft. Die Essays begleiten, kommentieren und deuten sein fiktionales Werk. Mit guten Gründen lässt sich das essayistische Werk als Einheit betrachten und als solche edieren.

Die Essays von Thomas Mann sind mit einer Selbstreflexion? verbunden, die wohl einzigartig ist. Diese Reflexion bringt er in allen Texten – fiktional oder nicht fiktional – zur Geltung. Durch das Wechselspiel von ästhetischem Entwurf und diskursivem? Essay erhält das Werk Thomas Manns eine scharfe Kontur. Neben den Tagebüchern und Briefen? weisen gerade die Essays auf die lebensgeschichtliche Verzahnung hin. Heinrich Detering betont darum in seinem Nachwort: „Gerade die insistierenden Selbstbefragungen aber signalisieren auch, dass die essayistischen Experimente sich nicht einfach in wechselnden und letztlich unverbindlichen Maskeraden genügen, sondern dass sie vielmehr einem dringlichen, manchmal existentiellen Bedürfnis nach Orientierung entspringen, nach Verbindlichkeit und Eindeutigkeit.“

Die offenkundige Wechselbeziehung zwischen dichterischem und essayistischem Werk hat die Forschung wiederholt darin bestärkt, die Essays interpretatorisch zu den ihnen nahe stehenden fiktionalen Texten in Beziehung zu setzen. Dabei verändert sich der Autor in seinen Essays. Die Wechselbeziehung von Fremden und Eigenem, Reflexion und Selbstreflexion, Diskurs und Entwurf birgt unterschiedlichen Gewinn. Vor allem die Essays über Sigmund Freud?, Friedrich Nietzsche, Arthur Schopenhauer, Richard Wagner und vor allem Johann Wolfgang von Goethe zeigen Thomas Manns Nachdenken über das Eigene, das unter dem Gewicht von Bildungsanspruch und Gelehrsamkeit zu verschwinden droht.

Nicht nur hier, sondern auch in den autobiographischen Essays stilisiert sich Thomas Mann. In Respekt und Zuneigung identifiziert? er sich nur allzu gerne mit Goethe. Vor allem diese Texte stehen in enger Beziehung zum erzählerischen Werk. Hier schafft der Autor Entwürfe, die prägend für seine Erzählungen und Romane sind. Hier bekommt der Autor Thomas Mann lebensgeschichtliche Bedeutung.

Thomas Manns gesammelte Werke

Die „GKFA“ in 38 Bänden ist die sechste Gesamtausgabe? der Werke Thomas Manns. Die erste Ausgabe „Gesammelte Werke in Einzelausgaben“ erschien von 1922 bis 1937. 1925 wurde zudem eine zehnbändigen Ausgabe veröffentlicht, die identisch ist mit dem Teil der „Gesammelten Werke in Einzelausgaben“, der von 1922 bis 1925 publiziert wurde.

Nach der Beschlagnahmung der Buchbestände durch die Nationalsozialisten entwickelte Gottfried Bermann Fischer? den Plan einer neuen Gesamtausgabe, die als „Stockholmer Gesamtausgabe der Werke“ von 1939 bis 1956 erschien. Der Aufbau-Verlag entwickelte eine Gesamtausgabe in zwölf Bänden für die DDR. Diese wurde von 1955 bis 1965 veröffentlicht. Am fünften Todestag Thomas Manns im Jahre 1960 erschien die erste bundesdeutsche Ausgabe der „Gesammelten Werke in zwölf Bänden“, die 1974 um einen Nachtragsband erweitert wurde. Diese Ausgabe bildet bis jetzt die Basis der Forschung, sie erschien 1967 als zwanzigbändige Taschenbuchausgabe. Zuletzt erscheint die, von Peter de Mendelssohn? in ebenfalls zwanzig Bänden herausgegebene Ausgabe der „Gesammelten Werke in Einzelbänden“ (Frankfurter Ausgabe) von 1980 bis 1986.

Ausgaben von Thomas Manns essayistischem Werk

Einen Sonderfall bildet Manns essayistisches Werk. Es erscheint, herausgegeben von Hans Bürgin, in einer achtbändigen Taschenbuchausgabe 1968 im S. Fischer Verlag?. Von 1977 bis 1978 erscheint die Ausgabe „Ausgewählte Essays in drei Bänden“. Herausgeber sind Hunter Hannum und Michael Mann?. Harry Matter gibt seine achtbändige Ausgabe der „Aufsätze, Reden, Essays“ von 1983 bis 1986 im Aufbau-Verlag? heraus. Schließlich ediert Hermann Kurzke die sechsbändige textkritische und kommentierte Ausgabe der „Essays“ von 1993 bis 1997. Diese Edition gilt lange als maßgeblich. Umso interessanter ist die nun im Entstehen begriffene Neuedition der „Essays“, die in sieben Bänden im Rahmen der „GKFA“ erscheint.

Hermann Kurzkes sechsbändige „Essay“-Edition ist nach den Erstdrucken textkritisch durchgesehen und kommentiert. Er teilt die sechs Bände auf in die Zeiten von 1893 bis 1918, 1919 bis 1925, 1926 bis 1933, 1933 bis 1938, 1938 bis 1945 und 1945 bis 1955. Diese Band-Abgrenzungen machen bereits auf den ersten Blick Sinn und werden durch des Herausgebers vergebene Titel wie „Frühlingssturm“, „Für das neue Deutschland“, „Ein Appell an die Vernunft“, „Achtung Europa!“, „Deutschland und die Deutschen“ sowie „Meine Zeit“ noch betont.

Zur Einteilung der neuen „GKFA“

Bei der neuen Edition verfahren die Herausgeber? anders. Die Band-Abgrenzungen werden nicht nach Jahren vorgenommen. So endet der erste Band? mit Thomas Manns Aufsatz über Frank Wedekind? vom Juli 1914. Der zweite Band beginnt mit Manns Essay „Gedanken im Kriege“ vom September 1914. Es wird nicht ausdrücklich begründet, warum der erste Band nicht alle Essays von 1914 versammelt. Vermutlich wollen die Herausgeber den zweiten Band mit Thomas Manns Gedanken zum Ersten Weltkrieg eröffnen. Denn, so Heinrich Detering in seinem Nachwort, „erst der Donnerschlag des Kriegsausbruchs wird dann endlich klare Frontlinien bereitstellen und so eindeutige wie lautstarke Entscheidungen verlangen und erlauben.“

Der zweite Band endet mit einem Text vom Juni 1926. Welche editorische Entscheidung begründet diese Abgrenzung zum dritten Essay-Band? In der Folge hat die unausgeglichene Aufteilung der Texte auf sieben Bände Auswirkungen auf deren Umfang. So enthält der erste Textband 417 Druckseiten und der zweite 1.251 Druckseiten. Um diesen vervierfachten Umfang zu kompensieren, wechselt der Verlag zu dünnerem Papier, was dem Auftritt der Ausgabe in seiner Einheitlichkeit Schaden zufügt.

Zu vergleichen ist hier die Edition der Essays von Thomas Mann aus der Zeit von Mai 1893 („Frühlingssturm!“) bis Juni 1926 („Dating Royal Highness“), so wie sie in den ersten beiden Essay-Bänden der „GKFA“ dargeboten werden. Heinrich Detering und Hermann Kurzke (unter Mitarbeit von Stephan Stachorski) präsentieren auf 1668 Druckseiten der beiden Textbände 291 (so genannte) Essays. In der Essay-Edition von 1993 versammeln die Herausgeber Hermann Kurzke und Stephan Stachorski 76 Texte von Thomas Mann auf insgesamt 748 Druckseiten – verteilt auf etwas mehr als zwei Bände. Die neue Edition enthält also für diesen Zeitraum viermal so viele Essays.

Was hier unter der Rubrik „Essay“ firmiert, ist bedeutend mehr: Zu finden sind Ansprachen und Vorträge, Aufsätze? und Kritiken, Reden und Nachrufe. Offensichtlich haben sich die Herausgeber darauf verständigt, nicht alle fiktionalen Texte unter dem Sammelbegriff „Essay“ zu veröffentlichen.

Modernität ist Bewusstsein

Die theoretisch-ästhetischen Aufsätze? Thomas Manns vereinen künstlerische Nachfolge, persönliches Bekenntnis und programmatischen? Entwurf. In seinem Nachwort zum ersten Essay-Band betont Heinrich Detering wie „unfest und offen“ Thomas Manns als Ich-Autor noch vor dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs ist. Sein Künstlertum ist kaum verhüllt in Homoerotik, Weiblichkeit und Judentum. Es setzt sich bei ihm in der Konstellation der Außenseitergestalten fort und gipfelt nicht zuletzt in der Frage: „Ist der Künstler überhaupt ein Mann?“

Im Nachwort zum zweiten Band? hebt Hermann Kurzke vor allem den homoerotischen Subtext? in den Essays hervor, denn Thomas Manns Sehnsucht nach Zivilisation liegt die Sehnsucht zugrunde, sich mit einem Prinzip des Männlichen zu identifizieren und von einem Prinzip des Weiblichen Abstand zu nehmen. Sein Text „Die Ehe im Übergang“ (1925) kann als kaum verhüllendes Bekenntnis in Hinsicht auf Thomas Manns eigenes (homosexuelles) Begehren gelesen werden oder als Unterdrückung der eigenen Gefühle.

Während für den Sohn Klaus Mann? Homosexualität das Lebensthema seines Werkes wird, im Sinne eine Wunde, die nicht heilt und die er immer wieder berühren muss, um sich zu vergewissern, ob sie noch schmerzt, ist Homosexualität für den Vater Widersinn und Fluch. In seinem Aufsatz „Die Ehe im Übergang“ schreibt er darum konsequent: „Sie ist freie Liebe im Sinne der Unfruchtbarkeit, Aussichtslosigkeit, Konsequenz- und Verantwortungslosigkeit. Es entsteht nichts aus ihr, sie legt den Grund zu nichts.“ Anders als Thomas Mann zeigt sich der Sohn in seinem Aufsatz? „Die Linke und das Laster“ (1934) kämpferisch: „Die Homosexualität ist nicht auszurotten – und wäre sie es, so hätte man die Menschheit ärmer gemacht um etwas, dem sie Unvergleichliches verdankt.“

In seiner bedeutenden Studie? „Bilse und ich“ (1906) wendet sich Thomas Mann gegen ein Publikum, das seine Texte als Schlüsseltexte? liest. In der Schrift „Der Künstler und der Literat“ (1913) versucht er dagegen, eine Abgrenzung zwischen dem auf Erkenntnis und Kritik verpflichteten Literaten und dem Künstler zu treffen. Sein Blick konzentriert sich auf die eigene Entwicklung und zentriert sich auf den Gedanken eines historischen Fortschritts der Kunst. Denn er meint: „Modernität ist Bewusstsein.“

Der Essay „Bilse und ich“ markiert eine Nahtstelle zwischen ästhetischer und autobiographischer Reflexion. In seiner polemischen Attacke gegen die so genannte Bilse-Literatur und ein Publikum, das die „Buddenbrooks“ (1901) als einen Roman über das authentische Lübeck liest, erfährt die Wechselbeziehung von unbewusstem Wunsch, unbewusster Angst und produktiver Phantasie eine charakteristische Umformung. Einerseits gesteht Thomas Mann, dass seine Arbeiten auf Biographischem beruhen, andererseits versucht er das Intime im Persönlichen zu entschärfen und zum Gesetz einer Kunst zu erklären: „Fragt nicht immer: Wer soll es sein? Sagt nicht immer: Das bin ich, das ist jener.“

Heinrich Detering markiert in seinem Nachwort? wie sehr sich das Verständnis gerade des frühen Thomas Mann und dessen Position eines zumindest zeitweise linksliberalen Autors innerhalb der Forschung den letzten Jahren gewandelt und differenziert hat. An das Fundament der Darstellung des Umbruchs von 1914 kann der zweite Essayband bündig anschließen. Das wird in Hermann Kurzkes Nachwort deutlich. Zwar stellt Thomas Mann seine Texte ab jenem Zeitpunkt „fabrikmäßig“ her, doch die Fülle der Essays bietet eine Menge Entdeckungen.

Wandel in Manns Gesinnung

Während der frühe Thomas Mann (sozusagen der Essayist? des ersten Bandes?) noch unpolitisch denkt und handelt (seine Zeit- und Gesellschaftskritik ist immer Kritik des Lebens überhaupt und nicht einzelner Maßstäbe), wird er im August 1914 wie so viele andere auch in den Strudel der Kriegsbegeisterung gerissen. Folgerichtig beginnt der zweite Essayband mit dem Aufsatz „Gedanken im Kriege“ (1914). Dieser Propaganda-Aufsatz? erscheint im September 1914 in der „Neuen Rundschau“ und führt zum Zerwürfnis mit dem Bruder Heinrich und den pazifistischen Freunden. Die Parteinahme für Deutschland und für den Krieg bedeutet zwar nicht sofort eine Politisierung Thomas Manns, aber sie bereitet den Weg dorthin. Der Krieg wird geschickt in das Gedankengebäude des Unpolitischen eingebaut. Darum ist es auch nicht weit bis zu den „Betrachtungen eines Unpolitischen“ (1918) und von dort aus zu den Überlegungen in dem Essay „Von deutscher Republik“ (1922).

Thomas Manns „Betrachtungen eines Unpolitischen“ werden als dreizehnter Band? der „GKFA“ erscheinen und stehen in der Abfolge unmittelbar vor den Essays. Würde man sie chronologisch einordnen, stünden sie vor Thomas Manns Nachruf? auf Frank Wedekind? stehen, der im zweiten Essay-Band enthalten ist. Hans Ulrich Gumbrecht vermutet mit Recht, dass man diesen zweiten Essay-Band nun als Vorbreitung oder „rückblickend differenzierte und dann allmählich auch kurskorrigierende Supplemente?“ zu den umstrittenen „Betrachtungen eines Unpolitischen“ lesen wird (vgl. „FAZ“ vom 18.10.2003).

Manns Bündnis mit republikanischer Politik Weimars

Thomas Mann steht in einem praktischen Bündnis mit der republikanischen Politik Weimars und einem eher schwerfälligen Gedanken zur Nationenpolitik. Darum endet der zweite Band? fast mit dem Essay „Pariser Rechenschaft“ über einen Besuch in der französischen Hauptstadt im Januar 1926. Aber Thomas Mann ist nicht nur ein politischer Essayist?. Vielleicht ist er in diesem Genre bedeutender mit seinen literarischen Detail-Beschreibungen, etwa in dem philosophisch und historisch eher belanglosen Porträt Friedrichs des Großen von 1914 („Friedrich und die Große Koalition“), wo es heißt: „Als er, vierundsiebzig Jahre alt, nach qualvoller und widerwärtiger Krankheit starb, war alles totenstill [...] aber niemand war traurig.“

Literaturangaben:

  • MANN, THOMAS: Große kommentierte Frankfurter Ausgabe. Werke – Briefe – Tagebücher. Band 14.1 und 14.2: Essays I 1893-1914 (Text- und Kommentarband). Herausgegeben und textkritisch durchgesehen von Heinrich Detering unter Mitarbeit von Stephan Stachorski. S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2002. Zwei Bände, zusammen 1100 S., 80 Euro.
  • MANN, THOMAS: Große kommentierte Frankfurter Ausgabe. Werke – Briefe – Tagebücher. Band 15.1 und 15.2: Essays II 1914-1926 (Text- und Kommentarband). Herausgegeben und textkritisch durchgesehen von Hermann Kurzke unter Mitarbeit von Jöelle Stoupy, Jörn Bender und Stephan Stachorski. S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2003. Zwei Bände, zusammen 2250 S., 98 Euro.

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