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Iwein Löwenritter

von<br> Felicitas Hoppe

Buchcover Iwein Löwenritter  - (c) S. Fischer Verlag

Was für ein kühnes Unterfangen, ein höfisches Versepos des Hochmittelalters? als einen Prosaroman für Jugendliche des 21. Jahrhunderts herauszubringen! Hartmann von Aues? "Iwein", hervorgegangen aus dem französischen Vorbild des Chrétien de Troyes?, hat – wie die meisten höfischen Ritterepen – seinen Stoff aus dem Sagenkreis um den legendären König Artus und die Ritter seiner Tafelrunde gezogen.

Wie lesen wir heute eine Geschichte, die achthundert Jahre alt ist? Ganz sicher nicht wie der damalige Leser und schon gar nicht unter dem Aspekt der Historizität. Kein höfisches Epos des Mittelalters? schildert erlebte und gelebte Realität, und Rückschlüsse über das mittelalterliche Rittertum lassen sich hier nicht ziehen, ganz abgesehen davon, dass man generell nicht mit dem heutigen Geschichts- und Wahrheitsbegriff an mittelalterliche Literatur herantreten kann.

Das höfische? Epos erhöht den Menschen, besonders den Ritter und darunter vor allem den Angehörigen der Tafelrunde. Die Männer und Frauen, von denen es berichtet, werden zum Exempel, zum (positiven und negativen) Beispiel geformt für eine Lebenshaltung, ein Verhalten, und der Autor verfolgt damit immer einen erzieherischen? Anspruch. Das Epos war gedacht für die höfische Gesellschaft, war Buchdichtung, die gelesen wurde und die ein Ideal vermitteln sollte.

Um das Jahr 1200? schrieb Hartmann von Aue?, über dessen Leben wir nur wenig wissen, das große Epos "Iwein", zehn Jahre nach seinem Ritterepos "Erec" – beides Gestalten von seelischer Tiefe, die beispielhaft versinnbildlichen, wie ein ehrenhaftes Ritterleben durch Maßlosigkeit auf Abwege geraten kann. Entfremdet sich Erec der Gesellschaft durch einen krankhaft gesteigerten Minnedienst, so vernachlässigt Iwein durch seine übersteigerte Sehnsucht nach âventiure, nach Abenteuer alles, was die Werte des Ritterseins ausmacht, bis hin zur Aufgabe seiner Gemahlin. Ein solcher Verstoß gegen die Ritterehre muss geahndet werden durch Büßen der Schuld in zahllosen Abenteuern und Kämpfen mit übermächtigen Gegnern, in denen es sich zu bewähren gilt. Erst als sie beide, Erec und Iwein, solcherart gebüßt und sich bewährt haben in Abenteuer, Kampf und Minnedienst, können sie wieder als Ritter in die Tafelrunde des Artus aufgenommen werden.

Um die ideengeschichtliche Welt des höfischen Mittelalters zu verstehen, müsste der Leser viel an Vorwissen mitbringen: Wissen über das Ideal der ritterlichen Haltung, über höfische „zuht“ (Zucht), die höchste Form des Anstands, und die Bedeutung der „mâze“ (Maßhalten), über die adelige Frau, ein reines erhabenes Wesen, in deren Dienst sich die Bestimmung des Mannes (Ritters) erfüllt.

Dies alles kann und will ein Jugendbuch heute nicht mehr vermitteln, und dennoch erstaunt, was Felicitas Hoppe von all dem in ihrer Erzählung von Iwein mitschwingen lässt. Der typischen Form des höfischen? Romans folgend – allerdings in Prosa statt in Versen –, wendet sich der Ich-Erzähler, der als solcher nur selten in Erscheinung tritt, an den Leser und Zuhörer, bezieht ihn ein, ist manchmal kindlich-naiv, manchmal spöttisch-ironisch?.

So erzählt er die Geschichte von Iwein und seinem Löwen, der durch seine Sucht nach Abenteuern seine Gemahlin Laudine vernachlässigt, die ritterlichen Gebote von zuht und mâze nicht mehr beachtet und ausziehen muss um zu sühnen. Im Kampf für die Gerechtigkeit und für die Armen schließlich macht er sich verdient, erkennt seine Säumnis, sodass er zurückkehren kann zu Laudine, die ihm verzeiht, immer begleitet von seinem treuen Gefährten, dem Löwen, den er vor dem schrecklichen Drachen errettete – eine anrührende Liebes- und Freundschaftsgeschichte, die bis heute nichts von ihrer Schönheit verloren hat.

Der S. Fischer Verlag? hat diesem achthundert Jahre alten Werk der Weltliteratur einen adäquaten Rahmen verliehen und es in die renommierte und attraktive Reihe? der „Bücher mit dem blauen Band“ aufgenommen: Gebunden in dunkelblaues Leinen in einem grünen Schuber?, dazu die vier anspruchsvollen Farbtafeln von Michael Sowa? – eine prächtige Ausstattung, die dem mittelalterlichen Epos wohl gebührt.

Ein wunderschönes Buch, dem man aus vielerlei Gründen eine breite Leserschaft wünschen mag.

Originalbeitrag unter www.alliteratus.com

Literaturangaben

  • Hoppe, Felicitas: Iwein Löwenritter. Erzählt nach dem Roman von Hartmann von Aue. Mit 4 Farbtafeln von Michael Sowa. Frankfurt am Main, S. Fischer Verlag 2008, 250 S. 16,90 €, ISBN-13: 978-3596852598

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