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Sterne, Laurence

Laurence Sterne - (c) Insel Verlag

Laurence Sterne (geb. 24. November 1713 in Clonmel/Irland; gest. 18. März 1768 in London) war ein englischer Schriftsteller. Seinen literarischen Weltruhm begründete er mit dem Romanzyklus „The life and opinions of Tristram Shandy, gentleman“ (1759-1767).

Leben und Schreiben

Laurence Sterne wurde am 24. November 1713 in Clonmel in Südirland geboren. Er entstammte einer angesehenen Adelsfamilie aus Yorkshire. Sein Vater war Offizier und die Familie folgte ihm von einer Garnisonsstadt zur anderen. So kam es, dass Laurence Sterne seine Kindheit und Jugend zum Teil in Irland verbrachte.

Als Sterne zehn Jahre alt war, kam er zur Familie seines Onkels. Dort erkannte man früh die geistige Begabung des Jungen. Der Onkel schickte ihn in Halifax zur Schule und ließ ihn anschließend in Cambridge Theologie studieren. 1738 wurde Laurence Sterne durch Protektion Vikar in Sutton-in-the-Forset in der Nähe von York, ab 1741 war er Pfarrer, später Domherr in Yorkshire. 1741 heiratete er Elizabeth Lumley, die Tochter eines damals sehr angesehenen und einflussreichen Geistlichen. Durch Verwandte seiner Frau erhielt Sterne eine zweite Pfarrei in Stillington.

Es gelang ihm, die Würde des geistlichen Amtes mit seinen verschiedenartigen künstlerischen Interessen (vor allem mit der Literatur, die er über alles liebte) zu verbinden. In York führte Sterne ein beschauliches Leben – er besorgte die Amtsgeschäfte, er schlief viel, aß gut und war in den prachtvollen Bibliotheken der wohlhabenden Familien der Gegend ein häufiger und gerne gesehener Gast. François Rabelais? und Miguel de Cervantes? gehörten zeitlebens zu seinen Lieblingsautoren.

„Tristram Shandy“ (1759-1767)

Seinen literarischen Weltruhm begründete Laurence Sterne mit dem Romanzyklus „The life and opinions of Tristram Shandy, gentleman“ (dt. „Leben und Meinungen des Herrn Tristram Shandy“, auch veröffentlicht unter dem Titel „Leben und Ansichten von Tristram Shandy, Gentleman“), der in den Jahren 1759 bis 1767 in neun Bänden erschien. Das Werk war bei seinem ersten Erscheinen eine literarische Sensation, wie man sie in diesem Ausmaß in der damaligen Zeit nur selten erlebte. Literaten in ganz Europa spitzten die Ohren, die Bände gingen von Hand zu Hand – vor allem in Deutschland war die Resonanz überwältigend. Die Dichter des Sturm und Drang und der Romantik sahen in Sternes Meisterwerk ein grandioses Vorbild und eiferten ihm nach – so gut es eben ging, denn viele dieser enthusiastischen Epigonen kamen über wenig anspruchsvolle Nachdichtungen nicht hinaus. Heute gilt „Tristram Shandy“ als wichtiger Vorläufer des experimentellen Romans. Sternes Einfluss als Schriftsteller ist vergleichbar mit dem von Fjodor Dostojewskij?, James Joyce oder Alfred Döblin.

Die Leser des „Tristram Shandy“ sind jedoch gut beraten, dem Autor nicht allzu weit zu trauen. Denn der Romancier Laurence Sterne erweist sich als ein veritables Schlitzohr, das mit dem Leser auf äußerst unterhaltsame Weise Katz und Maus spielt. Das skurril-köstliche Verwirrspiel beginnt bereits mit dem Titel, der ja eine fiktive Autobiographie ankündigt. Wer nun eine konventionelle Lebensbeschreibung erwartet, hat Pech (sollte aber deswegen nicht enttäuscht sein). Denn von einer gradlinigen chronologischen? Handlung, wie sie im zu Sternes Zeiten beliebten Aufklärungsroman? üblich war, kann im „Tristram“ keine Rede sein. Indem Sterne die Handlung immer wieder durch Abschweifungen und Anekdoten, durch Rückblicke und Vorausschauen unterbricht, wendet er sich radikal vom bürgerlichen Rationalismus der damaligen Zeit ab. Hierbei wurde Sterne wesentlich von John Lockes Assoziationstheorie beeinflusst. Mit seiner Erzähltechnik der Abschweifung? wollte Sterne die intellektuelle und emotionale Sprunghaftigkeit seines Helden betonen. Auch Frivolität und Erotik spielen eine nicht unbedeutende Rolle – puritanischen Zeitgenossen trieben manche Kapitel des „Tristram“ die Schamesröte ins Gesicht. Proteste gegen die Publikation des Buches waren die Konsequenz. Ein Grund mehr, weshalb die Romantiker in Deutschland Sterne überschwänglich als literarische Offenbarung feierten.

Wer heute den „Tristram“ liest, begibt sich unweigerlich auf eine ebenso eigentümliche wie abenteuerliche literarische Entdeckungsreise – Ausgang ungewiss. Einige Sterne-Enthusiasten behaupten, den „Tristram“ in ihrem Leben bereits mehrmals gelesen zu haben und bei jeder Lektüre das Gefühl gehabt zu haben, in einen anderen und immer wieder neuen faszinierenden literarischen Mikrokosmos einzutauchen. Das kann gut sein, denn bei einem Buch, das keinen Anfang und kein Ende hat, das aus einer unendlichen Fülle von Erzählpartikeln besteht, setzt der Leser das Buch wie bei einem guten Puzzle immer wieder von vorne zusammen. Ein zeitgenössischer Kritiker hat behauptet, der „Tristram“ sei wie die Bibel – an jeder beliebigen Stelle könne man mit dem Lesen beginnen und finde überall Anreize, das Buch nicht mehr aus der Hand zu legen.

Subversiver Provokateur

Die Veröffentlichung der beiden ersten Teile des „Tristram Shandy“ machten Sterne über Nacht berühmt. Er verließ seine Gemeinde (übrigens auch seine Frau und die Tochter) und ging nach London, wo er in den dortigen exquisiten Tee- und Literatursalons? als begnadeter Erneuerer des Romans gefeiert wurde. Sterne, von Natur aus ein geselliger Typ und charismatischer Menschenkenner, der die galante Plauderei beherrschte wie kaum ein Zweiter, gefiel sich in der Rolle des subversiven Provokateurs. Er schloss Freundschaften mit zahlreichen herausragenden Persönlichkeiten seiner Zeit und verstand es mit nur geringem Aufwand, eine delikate Atmosphäre von weltmännischer Eleganz und mondäner Gelassenheit um seine Person zu erzeugen. Ebenfalls 1759 erschien seine Predigtsammlung, und Sterne erhielt die ständige Pfarrverweserstelle von Coxwold/Yorkshire.

Im Dezember 1762 brach Sterne nach Paris auf. Sein Ruf war ihm bereits vorausgeeilt. Sterne avancierte zum Mittelpunkt zahlreicher rauschender Feste, und die Leute, mit denen er in den berühmten Cafés entlang der Seine zusammentraf, fragten ihn immer wieder, wie er denn den „Tristram“ eigentlich gemeint habe. Dann antwortete er mal dies, mal das und manchmal lächelte er nur – der Spitzbube! Das fanden die Pariser Literaten (und vor allem ihre weibliche Entourage) sehr geheimnisvoll und brachen in tränenerstickte Rufe der Verzückung aus. Aus Gesundheitsgründen war Sterne dann auch viel in Südfrankreich und Italien unterwegs.

„ A Sentimental Journey Through France and Italy“ (1768)

Im Jahr 1768 veröffentlichte Sterne in zwei Bänden? seinen Reisebericht? „A Sentimental Journey Through France and Italy“ (dt. „Eine empfindsame Reise durch Frankreich und Italien“, 1768). In diesem Band reiht er in lockerer Folge verschiedenartige Eindrücke, Empfindungen und Reflexionen aneinander. Dabei gilt sein Augenmerk nicht den tösenden Attraktionen, sondern dem Nebensächlichen, das im Verborgenen bleibt. Mit „A Sentimental Journey“ stieg Sterne zum beherrschenden Modeautor der Empfindsamkeit auf. Diese Empfindsamkeit besaß bei Sterne (im Unterschied zu der unübersehbaren Zahl seiner Nachahmer) eine politische und kulturelle Dimension: Seine Betonung des Gefühls war die Reaktion auf den herrschenden Intellektualismus seiner Zeit.

Laurence Sterne starb am 18. März 1768 in London an einem Lungenleiden. Er ist als bedeutendster englischer Schriftsteller zwischen Aufklärung? und Romantik in die Literaturgeschichte eingegangen. Er gilt als Meister der Phantasie und der Charakterschilderung?, dem auch feinste Nuancen des Seelenlebens nicht verborgen bleiben. James Joyce gab später an, sich lange Zeit mit Sternes Werk? beschäftigt zu haben und dabei auf viele interessante Ansätze gestoßen zu sein. Und das will schon was heißen …

Übrigens ...

ging man nach Laurence Sternes Tod wenig empfindsam mit seinen sterblichen Überresten um: Grabräuber verkauften Sternes Leichnam nach Cambridge an die Anatomie.

Auszeichnungen

Werke (Auswahl)

  • Bücher von Laurence Sterne bei Jokers
  • Leben und Meinungen von Tristram Shandy, Gentleman. EA 1759-1767. Frankfurt am Main, Insel Verlag, 9. Aufl. 2004, ISBN: 978-3458323211
  • Yoricks empfindsame Reise. EA 1768. Frankfurt am Main, S. Fischer Verlag 2008, ISBN: 978-3596900794

Hörbücher

  • Leben und Ansichten von Tristram Shandy, Gentleman. 22 CDs. Zürich, Verlag Kein & Aber 2006, ISBN: 978-3036911748

Sekundärliteratur

  • Hopmann, Erika Sophie: Die Organisation der Sinne. Wahrnehmungsteheorie und Ästhetik in Laurence Sternes Tristram Shandy. Würzburg, Verlag Königshausen und Neumann 2007, ISBN: 978-3826036750
  • Stewart, Neil / Potthoff, Wilfried: Glimmerings of Wit. Laurence Sterne und die russische Literatur von 1790 bis 1840. Heidelberg, Universitätsverlag Winter 2005, ISBN: 978-3825350703
  • Wronski, Ulrike: Der implizite Leser in Laurence Sternes Roman Tristram Shandy. München, Grin Verlag 2005, ISBN-10: 3638447685

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