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Aichinger, Ilse

Ilse Aichinger (geb. 1. November 1921 in Wien) ist eine österreichische Schriftstellerin. Mit ihren Erzählungen, Gedichten und Essays gilt sie als bedeutende Repräsentantin der deutschsprachigen Nachkriegsliteratur.

Leben und Schreiben

Ilse Aichinger und ihre Zwillingsschwester Helga wurden am 1. November 1921 in Wien als Töchter einer jüdischen Ärztin und eines Lehrers geboren. Beide Schwestern wurden katholisch getauft. Nach der Scheidung der Eltern im Jahr 1926 wuchs Ilse Aichinger bei der Mutter in Wien auf, verbrachte jedoch auch viel Zeit bei der Großmutter und in Klosterschulen. In der Zeit von 1938 bis 1945 war die Familie der Verfolgung durch die Nationalsozialisten ausgesetzt: 1938 verlor die Mutter ihre Stelle als städtische Ärztin und ihre Wohnung, 1942 wurden die Großmutter und die jüngeren Geschwister der Mutter deportiert und in einem nationalsozialistischen Vernichtungslager in der Nähe von Minsk ermordet.

Der Zwillingsschwester gelang im Juli 1939 die Flucht nach England. Der Kriegsausbruch verhinderte jedoch die Ausreise der restlichen Familie. Ilse Aichinger und ihre Mutter mussten ein Zimmer in unmittelbarer Nähe des Wiener Hauptquartiers der Geheimen Staatspolizei (Gestapo) beziehen. Nach dem Abschluss des Gymnasiums bekam Ilse Aichinger als Halbjüdin keinen Studienplatz. Im Zweiten Weltkrieg wurden Mutter und Tochter dienstverpflichtet. Nach dem Krieg begann Ilse Aichinger ein Medizinstudium, das sie jedoch nach fünf Semestern abbrach, um ihren Debütroman? „Die größere Hoffnung“ (1948) zu beenden.

„Aufruf zum Misstrauen“ (1946)

Ilse Aichinger - (c) Stefan Moses

Bereits während des Studiums meldete sich Ilse Aichinger in zahlreichen Essays öffentlich zu Wort. In dem 1946 erschienenen Essay „Das vierte Tor“ thematisierte sie zum ersten Mal in der österreichischen Literatur die Konzentrations- und Vernichtungslager. Für Aufsehen sorgte vor allem ihr „Aufruf zum Misstrauen“, der im Juli 1946 in der Zeitschrift? „Der Plan“ veröffentlicht wurde. Darin ruft sie ihre Mitbürger dazu auf, misstrauisch zu sein – jedoch nicht gegen andere wie bisher, sondern gegen sich selbst. Den eigenen Absichten, den eigenen Gedanken, den eigenen Taten müsse misstraut werden, schrieb Ilse Aichinger in ihrem legendären „Aufruf“. Damit brach sie eingefahrene Denkmuster auf und provozierte heftigen Widerspruch in der österreichischen Nachkriegsgesellschaft.

„Die größere Hoffnung“ (1948)

Ilse Aichingers Debütroman? „Die größere Hoffnung“ (1948) blieb zunächst nahezu ohne öffentliche Resonanz. In diesem autobiographisch gefärbten Roman erzählt Aichinger die Geschichte einer Gruppe jüdischer Kinder im Wien der Kriegsjahre. Im Mittelpunkt der Handlung steht Ellen – eine Halbjüdin, die am Ende auf einer Brücke von einer Granate zerrissen wird. Obwohl Ellen stirbt, bleibt in den anderen Kindern der Traum von Frieden, Versöhnung und Neuanfang lebendig.

Auch formal ist Ilse Aichingers Roman „Die größere Hoffnung“ für die deutschsprachige Nachkriegsliteratur von herausragender Bedeutung. Durch den permanenten Wechsel von personaler und auktorialer Erzählperspektive sowie durch die kunstvolle Mischung von Prosa und lyrischer Sprache zeigte Ilse Aichinger dem deutschsprachigen Roman neue Entwicklungsmöglichkeiten auf. Erst Anfang der 1950er Jahre wurde der Roman „Die größere Hoffnung“ einem breiten Leserkreis bekannt – es blieb Ilse Aichingers einziger Roman.

„Rede unter dem Galgen“ (1952)

1952 folgte der Erzählband „Rede unter dem Galgen“, der bei Kritik und Publikum? auf lebhaftes Interesse stieß und 1953 unter dem Titel „Der Gefesselte“ neu aufgelegt? wurde. In den zehn kleinen Erzählungen, die den Einfluss Franz Kafkas verraten, beschreibt Aichinger das existentielle Gefesseltsein des Menschen – durch Ängste, Zwänge, Träume, Wahnvorstellungen und Fieberphantasien. Der Band wurde mit dem Bremer Literaturpreis? und dem Immermann-Preis? ausgezeichnet.

Im Jahr 1953 heiratete Ilse Aichinger den Schriftsteller Günter Eich?, den sie auf einer Tagung der „Gruppe 47“ kennen gelernt hatte. Das Eheparr bekam zwei Kinder, Clemens? und Miriam. Clemens Eich wurde nach einer kurzen Laufbahn als Schauspieler ebenfalls Schriftsteller. Er starb 43-jährig an den Folgen eines Sturzes.

Unter dem Titel „Knöpfe“ veröffentlichte Ilse Aichinger 1953 ihr erstes Hörspiel. In den folgenden Jahren erschienen weitere Hörspiele, die Ilse Aichinger auch auf diesem Gebiet einem größeren Publikum? bekannt machten. Eine Dramatisierung? des Hörspiels „Knöpfe“ wurde 1957 in Berlin uraufgeführt?.

„Kleist, Moos, Fasane“ (1987)

Das literarische Gesamtwerk? von Ilse Aichinger blieb vergleichsweise schmal. Die meisten Buchpublikationen, die ab Mitte der 1960er Jahre erschienen, waren Sammlungen von zuvor verstreut erschienenen Erzählungen, Gedichten und Essays. Was Ilse Aichinger die Bewunderung einer breiten Leserschaft und der Literaturkritik eintrug, war die Präzision und Subtilität ihrer Sprache, in der sie die Entwurzelung einer ganzen Generation protokollierte und für die Nachwelt erfahrbar machte. Zu nennen sind hier vor allem die Bände „Eliza, Eliza“ (1965), „Schlechte Wörter“ (1976), „Kleist, Moos, Fasane“ (1987) und „Kurzschlüsse. Wien“ (2001). Ihre Hauptthemen sind Sprachkritik, Traumerfahrungen und die Aufgabe der Realität zugunsten des Irrealen.

„Blitzlichter auf ein Leben“ (2001)

Nach einer Schreibpause, die mehr als 14 Jahre gedauert hatte, veröffentlichte Ilse Aichinger 2001 unter dem Titel „Film und Verhängnis. Blitzlichter auf ein Leben“ ihre Autobiographie. Das Buch ist eine ungewöhnliche Mischung aus skizzenhafter Lebensbeschreibung und journalistischen Texten, die für eine Wiener Tageszeitung? entstanden sind. Der autobiographische Teil lässt vor allem die Jahre von 1921 bis 1945 Revue passieren – jedoch nicht chronologisch, sondern in blitzlichtartiger Folge.

Der journalistische Teil enthält Filmbesprechungen, Buchrezensionen und Bildbeschreibungen, die in den Jahren nach 2000 verfasst wurden. Besonders gelobt von der Kritik wurden die Filmbesprechungen.

„Unglaubwürdige Reisen“ (2005)

Im Jahr 2005 folgte der Band „Unglaubwürdige Reisen“, der jedoch keine konventionellen Reisebeschreibungen enthält, sondern imaginäre Wanderungen mit Stift und Papier zu den Orten der Kindheit. Doch bietet der Band mehr als eine autobiographische Rückschau: Von den Erlebnissen ihrer Kindheit spannt Ilse Aichinger einen weiten Bogen bis zum Anschlag auf die New Yorker Zwillingstürme und der Verleihung des Literaturnobelpreises an Elfriede Jelinek?. Ein Rezensent sah darin kurze, eindrucksvolle Texte und fühlte sich bei der Lektüre immer wieder an Franz Kafka erinnert. Ein anderer nannte den Band ein leises, weises, poetisches und wundersames Erinnerungsbuch.

Seit 1989 lebt Ilse Aichinger wieder in Wien.

Übrigens ...

wurde Ilse Aichinger im Jahr 1988 mit dem Weilheimer Literaturpreis? ausgezeichnet – damit war sie die erste Trägerin dieser von Schülern vergebenen Auszeichnung.

Auszeichnungen

Werke (Auswahl)

  • Bücher von und über Ilse Aichinger bei Jokers
  • Die größere Hoffnung. OA 1948. München, Süddeutsche Zeitung Bibliothek 2007, ISBN: 978-3866155220
  • Dialoge, Erzählungen, Gedichte. Ditzingen, Reclam Verlag 1986, ISBN: 978-3150079393
  • Film und Verhängnis. Blitzlichter auf ein Leben. S. Fischer, Frankfurt am Main 2001, ISBN: 978-3596156597
  • Unglaubwürdige Reisen. OA 2005. Frankfurt am Main, S. Fischer Verlag 2005, ISBN: 978-3100005274
  • Subtexte. OA 2005. Edition Korrespondenzen, Wien 2006, ISBN: 978-3902113467
  • Werke. In acht Bänden. Herausgegeben von Richard Reichensperger. Frankfurt am Main, S. Fischer Verlag 1991, ISBN: 978-3596110407

Hörbücher

  • Knöpfe. Hörspiel, Lesungen und Originalaufnahmen. CD. München, Dhv der Hörverlag 2007, ISBN: 978-3867170383

Sekundärliteratur

  • Berbig, Roland: Ilse Aichinger. München, edition + kritik 2007, ISBN: 978-3883779027
  • Krüger, Michael / Moses, Stefan: Ilse Aichinger. Frankfurt am Main, S. Fischer Verlag 2006, ISBN: 978-3100005281
  • Lindemann, Gisela: Ilse Aichinger. München, C. H. Beck Verlag 1988, ISBN: 978-3406322761
  • Moser, Samuel: Ilse Aichinger. Leben und Werk. Frankfurt am Main, S. Fischer Verlag 2003, ISBN: 978-3596127825

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