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tröstlich die grüne decke

von<br> Michael Starcke

tröstlich die grüne decke, Buchcover - (c) Verlag Früher Vogel

Die Landschaft der neuen Gedichte von Michael Starcke ist eine weite, ebenerdige, von 61 Flüssen durchzogene, über der ein fliegender Himmel steht. Die Flüsse sind seine Gedichte. In verschiedener Tiefe und Länge durchziehen sie eine felderreiche Landschaft.

Da sind die Felder seiner Sprache, seiner Poesie, die Felder der Natur, die Felder der Geschichte, die Felder des persönlichen Lebens, die Felder der Vergänglichkeit und das immer wieder in Fragen, Zweifeln, aber auch mit zarten Gewissheiten angegangene Feld der göttlich-geistigen Welt. So spannen sich die 61 Flüsse aus zwischen den Polen der Endlichkeit und Vergänglichkeit, die mit Erschrecken, Trauer, Verzweiflung verbunden werden und der leisen Erfahrung der anderen, der Auferstehungswelt, die mit Erstaunen, Freude und Trost verknüpft wird.

Das zeigt deutlich jenes Gedicht „erfurt, im dezember I“, das dem Gedichtband? seinen Titel gab. Es spielt auf dem Hauptfriedhof der Heimatstadt des Dichters und konstatiert fragend: … „ist der tod/ das sinnvolle ende/ einer langen reise?... „die ahnung, dass die welt nur ein/ schatten sei einer anderen welt// und das licht/ nur der schattenzarte schatten/ eines anderen namenlosen lichtes.“ Hier überwiegt die zarte Auferstehungsgewissheit in großer Tiefe.

In anderen Fluss-Gedichten überwiegt die Frage, die Skepsis und die durch unzählige Starcke-Gedichtbände sich ziehende Melancholie?. Diese hängt mit des Dichters bestimmendem Lebensgefühl zusammen, einem Feld, das er in beispielhafter Weise beackert und bebaut, „lange habe ich/ auf bedrohten wegen/ ins leben der wirklichkeit gebraucht, / um zu erfahren, / dass ankommen/auch schon abschied ist/ von schönen träumen.“ In diesem Zusammenhang versteht er auch zartfühlend die Freiheit derjenigen, die ihr eigenes Leben freiwillig beenden.

Selber baut Starcke - unter anderem auch dagegen - das poetische und poetologische Feld seiner Lebensdichtung auf, „eine herzensangelegenheit,/ an der man sterben kann/ oder tote zum leben erwecken.“ Er ringt um „eine liebe, die erlösen möchte“, die „niemandem“ etwas vorzumachen gedenkt, aber „trösten will, / um mut zu machen und standhaft zu bleiben.“ So wie hier die Liebe zu seiner Frau im Mittelpunkt steht, pflegt er sorgfältig seine Freundschaften und dokumentiert das auch in Briefen?, die er wieder in Gedichte verwandelt: „die briefe meine vertrauen/ der tiefe und schönheit/ der wörter/ besonders der/ von liebe und tod, / zukunft und vergangenheit.“

Bei allem ist er ein scheuer Mensch geblieben: „unbeholfen sind meine gebärden geblieben“, sanftmütig und scheu. Damit hängt wiederum zusammen, dass er dem Feld der Natur mehr vertraut als dem Feld der Geschichte. Er will nicht „revolution(en), die sich als illusionen“ entpuppen, aber dankbar der Natur folgen durch die fast als geheiligt erlebten Jahreszeiten: „wir führen einer des anderen hand,/ beeindruckt von bunten blätterzeilen,“ wobei der Himmel „leicht wie eine vogelfeder ist.“ Oder „der strebsame fluss,/ über dem nebel lagert/ an einem frühen morgen.“

Immer wieder gelingen dem Dichter Bilder von berauschender Schönheit, so dass auf diesem Feld viele tiefe Flussgedichte zu finden sind. Dabei bevorzugt er deutlich die Jahreszeit des Herbstes und den Zug der Regenwolken: „zug der regenwolken/ im frühen licht, / eine herde,/ getrieben vom wind.“ …“der gehstock wandelt sich zum hirtenstab.“ So - leise an die Christusgestalt gemahnend -, zieht er mit seinen Flüssen, seinen Gedichten dahin, fragend, „wohin heimleuchtet/ der blick in die natur, / die das ewige leben/ oder, wer weiß, einen heldenfriedhof verkörpert.“

Diese Fragehaltung ist eines modernen Dichters wahrlich würdig, und man darf gewiss sein, dass er immer weiter kommen wird im tapferen, dichterischen Erwarten und Empfangen der Antwort. „tröstlich die grüne decke“ ist ein ehrliches, tiefes, erschreckendes und begeisterndes Lyrikbuch, dem viele Leser zu wünschen sind.

Autorin: Sigrid Nordmar-Bellebaum

Literaturangaben

  • tröstlich die grüne decke. Gedichte. Verlag Früher Vogel, Bochum 2012, ISBN: 978-3-937463-13-1, 15 Euro

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