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Gesellschaftsroman

Der Gesellschaftsroman ist breit angelegt und versucht, im zeitlichen Nebeneinander vieler Handlungsstränge das gesamte gesellschaftliche Leben zu erfassen. Die Anfänge des Gesellschaftsromans liegen in Frankreich, England und Russland in der Mitte des 19. Jahrhunderts.

Definition

In der modernen Literaturwissenschaft gibt es keine befriedigende Definition für die Gattung Gesellschaftsroman, insbesondere die Übergänge zum Zeitroman sind fließend. Nicht selten werden beide Begriffe sogar synonym? verwendet. Ihre Entstehung fällt in die Goethe-Zeit, in der man um eine grundsätzlich neue Erzählliteratur bemüht war, um damit die veränderten und zunehmend komplexeren gesellschaftlichen Verhältnisse erfassen, abbilden und reflektieren zu können. Zu der veränderten sozialen, politischen und wirtschaftlichen Situation haben die Französische Revolution und die Industrialisierung nachhaltig beigetragen.

Der Gesellschaftsroman (und der Zeitroman) liefert eine – oft kritische, teilweise sogar anklägerische – Darstellung der gesellschaftlichen Situation in einer komplexen Handlungsführung. Er ist breit angelegt und versucht, im zeitlichen Nebeneinander vieler Handlungsstränge das gesamte gesellschaftliche Leben zu erfassen. Das bedeutet, dass er in alle gesellschaftlichen Schichten greift, um deren spezifische Probleme und Konflikte aufzudecken. Dabei bemüht er sich um eine Analyse der gesellschaftlichen Situation und der Umstände, die zu den geschilderten Problemen und Konflikten geführt haben. Manchmal ist diese Analyse mit reformerischen und utopischen Absichten verbunden.

Häufig schildert der Gesellschaftsroman die Lebensverhältnisse polarer Bevölkerungsschichten (z. B. Bürgertum/Kleinbürgertum, Bürgertum/Proletariat, Mann/Frau, Stadt/Land) und erzeugt dabei Spannung aus der Konfrontation ihrer gegensätzlichen Verhaltens- und Handlungsweisen. Dabei sind die Ereignisse eng mit den sozialen, ökonomischen, politischen und ethischen Gegebenheiten verknüpft.

Das Ziel des Gesellschaftsromans ist es, die Realität – entsprechend des Realitätsverständnisses der Zeit – zu reproduzieren. Dazu bedient sich der Gesellschaftsroman einer sachlichen Erzählweise?, in der detailgenaue Milieuschilderungen? und die differenzierte Psychologisierung? der Personen breiten Raum einnehmen.

Entstehung und Entwicklung

Die Anfänge des Gesellschaftsromans liegen in Frankreich, England und Russland in der Mitte des 19. Jahrhunderts, wobei jeweils charakteristische nationale Merkmale auftreten.

Bedeutende Gesellschaftsromane in Frankreich sind: Stendhals? „Rot und Schwarz“ (1830), Honoré de Balzacs? „Die menschliche Komödie“ (1829/54) und Gustave Flauberts? „Madame Bovary“ (1857). Typisch für den französischen Gesellschaftsroman ist eine strenge Objektivität.

Bedeutende Gesellschaftsromane in England sind: Charles Dickens’ „Die Lebensgeschichte, Abenteuer, Erfahrungen und Beobachtungen David Copperfields des Jüngeren“ (1849/50) und William Makepeace Thackerays? „Jahrmarkt der Eitelkeit“ (1847/48). Typisch für den englischen Gesellschaftsroman ist eine ironische? Färbung.

Bedeutende Gesellschaftsromane in Russland sind: Ivan Turgenevs? „Väter und Söhne“ (1862), Fjodor Dostojewskijs? „Schuld und Sühne“ (1866) und Leo Tolstois? „Krieg und Frieden“ (1864). Typisch für den russischen Gesellschaftsroman ist eine gedanklich-analytische Schärfe.

Der Gesellschaftsroman in Deutschland

Strenge Objektivität, ironische Färbung, gedanklich-analytische Schärfe – diese Phänomene spielten im deutschen Gesellschaftsroman zunächst eine untergeordnete Rolle. In der Literaturwissenschaft schreibt man dem deutschen Gesellschaftsroman in der Mitte des 19. Jahrhunderts eine Sonderrolle zu. Der deutsche Gesellschaftsroman dieser Zeit war eher humoristisch? angelegt, verzichtete auf Sozial- und Gesellschaftskritik und wies zumeist eine die Wirklichkeit verklärende Grundhaltung auf.

Zu den herausragenden Vertretern des deutschen Gesellschaftsromans in der Mitte des 19. Jahrhunderts gehörten die Autoren des poetischen Realismus?, z.B. Otto Ludwig („Zwischen Himmel und Erde“, 1856), Wilhelm Raabe („Der Hungerpastor“, 1864) und Gottfried Keller („Der grüne Heinrich“, 1853-1855).

Mann, Musil, Döblin

Erst zur Jahrhundertwende und in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts stieg auch der deutsche Gesellschaftsroman zu Weltgeltung auf. Besonders hervorzuheben sind hier die Werke von Theodor Fontane („Effi Briest“, 1894/95), Thomas Mann („Buddenbrooks“, 1900) und Robert Musil („Der Mann ohne Eigenschaften“, 1930-1933), die heute international als Klassiker des Gesellschaftsromans gelten – wenn auch mitunter nicht unerhebliche Überschneidungen zum Familienroman, Erziehungsroman? und psychologischen Roman vorliegen.

Eine Sonderform des Gesellschaftsromans ist der Großstadtroman?, wie man ihn von Andrej Belyj? („Petersburg“, 1913), John Dos Passos („Manhattan Transfer“, 1925) und Alfred Döblin („Berlin Alexanderplatz“, 1929) kennt.

Ungeachtet aller Debatten um die Problematik der objektiven Wirklichkeitswiedergabe und damit um das Ende des Gesellschaftsromans, reicht der Einfluss der genannten Autoren und Werke bis in die Gegenwart.

Literatur

  • Belyj, Andrej: Petersburg. Frankfurt am Main, Suhrkamp Verlag 2004, ISBN: 978-3518457160
  • Fontane, Theodor: Effi Briest. Ditzingen, Reclam Verlag 1986, ISBN: 978-3150069615
  • Musil, Robert: Der Mann ohne Eigenschaften. 2 Bände. Reinbek, Rowohlt Verlag 1999, ISBN: 978-3498092856

Sekundärliteratur

  • Adler, Hans: Der deutsche soziale Roman des 18. u. 19. Jahrhunderts. Darmstadt, Wissenschaftliche Buchgesellschaft 1990, ISBN: 978-3534094837
  • Biermann, Karlheinrich: Literarisch-politische Avantgarde in Frankreich 1830 - 1870. Hugo, Sand, Baudelaire und andere. Stuttgart, Kohlhammer Verlag 1982, ISBN: 978-3170077676
  • Scherpe, Klaus R.: Die Unwirklichkeit der Städte. Großstadtdarstellungen zwischen Moderne und Postmoderne. Reinbek, Rowohlt Verlag 1988, ISBN: 978-3499554711

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