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Stifter, Adalbert

Adalbert Stifter auf einem Stahlstich - (c) Wikipedia.org

Adalbert Stifter (geb. 23. Oktober 1805 in Oberplan/Böhmen; gest. 28. Januar 1868 in Linz) war ein österreichischer Schriftsteller des Biedermeier?. Er gehört zu den bedeutendsten Autoren seiner Zeit.

Foto: Pavol Tikovic / Wikipedia.org

Leben und Schreiben

Adalbert Stifters Heimat war der Böhmerwald am Oberlauf der Moldau im heutigen Tschechien, seinerzeit österreichisches Kronland. Sie ist ein Schlüssel zu seinem Leben und Werk?. Die Landschaft des Böhmerwalds, das Naturerlebnis der scheinbar unendlichen Wälder, ein sanfter Bergrücken hinter dem anderen, dazwischen nur vereinzelte menschliche Ansiedlungen – das hat Stifters dichterischen Stil und seine Weltanschauung entscheidend geprägt, und zahlreiche seiner Erzählungen spielen dort.

Im böhmischen Oberplan wurde er 1805 als Albert Stifter geboren. Als er zwölf Jahre alt war, verunglückte sein Vater, ein Kleinhändler, tödlich. Mit 13 Jahren kam Stifter an das Gymnasium des Benediktinerklosters Kremsmünster (Oberösterreich), wo er schließlich eine ausgezeichnete Abiturprüfung ablegte. Danach ging er nach Wien und begann dort ein Studium der Rechtswissenschaften.

Erste Erzählungen

Er war nun 21 Jahre alt und erwachsen, und jetzt zeigte sich erstmals seine ausgeprägte Unentschlossenheit und innere Zerrissenheit, die ihn im Leben immer wieder scheitern ließ und schon zu Lebzeiten zu einer tragischen Figur machte: Zum einen brachte er sein Jurastudium trotz guter Zwischenergebnisse nie zu einem Abschluss – er trat zur entscheidenden letzten Prüfung einfach nicht an (vielleicht weil er sich zu Höherem und zum Künstler berufen fühlte – wir wissen es nicht). Zum anderen verliebte er sich unsterblich in Fanny Greipl, ein Mädchen aus seiner Böhmerwälder Heimat und aus wohlhabendem Haus. Gleichzeitig begann er in Wien ein Verhältnis mit einer Modistin namens Amalie Mohaupt, die er schließlich im Jahr 1837 heiratete, nachdem alles Werben um Fanny fruchtlos geblieben war. Die Ehe blieb kinderlos.

Amalie Mohaupt - (c) Wikipedia.org

Stifter hielt sich als Maler und Hauslehrer über Wasser; gleichzeitig entstanden seine ersten literarischen Werke von Bedeutung, so die Erzählung Der Condor, eine Liebesgeschichte. 1841 gelang ihm dann der literarische Durchbruch mit der Erzählung Hochwald, die in Stifters Heimat spielt, im Böhmerwald, wo der Dreißigjährige Krieg die Burg und das Glück einer adligen Familie zerstört.

Der schriftstellerische Erfolg half Stifter aus der größten materiellen Not (in demselben Jahr war noch seine Wohnungseinrichtung wegen unbezahlter Schulden gepfändet worden, wozu auch Amalies Verschwendungssucht beigetragen hatte). Nun arbeitete er an der Erzählung Die Mappe meines Urgroßvaters, der Chronik? eines Böhmerwälder Landarztes im 17. Jahrhundert und gleichzeitig die Geschichte der moralischen Wandlung von dessen Schwiegervater vom kriegerischen Abenteurer zum weisen und friedlichen Hausvater.

"Studien" (1844-1850)

In den folgenden Jahren von 1844 bis 1850, Stifters fruchtbarster Schaffensperiode, entstanden seine Studien, ein Band? mit 13 Erzählungen, die alle mit einem resignativen Grundton um die großen Lebensthemen Schicksal?, Schuld und Sühne kreisen. Bekannt sind vor allem Brigitta, die Geschichte einer zunächst gescheitertern und zuletzt doch wieder versöhnten Ehe, dann die Geschichte von dem nordafrikanischen Juden Abdias, der außer seinem Töchterchen alles verliert und doch ein neues Leben beginnt und schließlich auf dem Höhepunkt seines erneuten Erfolges seine Tochter verliert, schließlich die Erzählung Der Hagestolz, worin ein einsamer Mann erst ganz am Ende seines Lebens seinen falschen Weg erkennt und bereut.

"Bergkristall" (1845/1853)

Das Revolutionsjahr 1848 brachte eine Zäsur in Stifters Leben. Infolge der politischen Veränderungen gelang es ihm jetzt, eine feste Anstellung als kaiserlicher und königlicher Landeschulrat und Schulinspektor von Oberösterreich zu erhalten; das Ehepaar Stifter siedelte nach Linz an der Donau über, wo Stifter und seine Frau endlich das ersehnte großbürgerliche Leben führen konnten. 1853 kamen unter dem Titel Bunte Steine zwei Bände? mit weiteren Erzählungen heraus, in deren Vorrede? Stifter seine Theorie vom „sanften Gesetz“ formulierte, durch das die Natur den Menschen leite. In der berühmtesten der Erzählungen, Bergkristall, verirren sich zwei Kinder im winterlichen Gebirge, ihre Errettung führt schließlich zur Versöhnung zweier entzweiter Familien und Dörfer. Die Erzählung war bereits 1845 in einer ersten Fassung in der Zeitschrift? "Die Gegenwart" unter dem Titel "Der heilige Abend" veröffentlicht worden.

"Der Nachsommer" (1857)

Danach begann Stifter – in der Nachfolge von Goethes „Wilhelm Meister“ – mit der Arbeit an seinem großen Entwicklungsroman Der Nachsommer, der über 1.300 Seiten? umfasst und der, als er 1857 endlich erschien, bei der Buchkritik und der Leserschaft schon wegen seines voluminösen Umfangs durchfiel. Der Stil des Buches wurde als langatmig bis langweilig empfunden. Das kränkte Stifter, auch wenn er es nicht zugeben wollte, ebenso wie die Ablehnung eines von ihm konzipierten und herausgegebenen Schullesebuches? durch die kaiserlich-königliche Unterrichtsbehörde in Wien (das Buch war so fortschrittlich, dass es 1946 von der US-amerikanischen Militärregierung für den Schulgebrauch in Bayern zugelassen wurde).

"Witiko" (1865-1867)

Nach einer Reihe weiterer beruflicher Zurücksetzungen und privater Rückschläge erkrankte Stifter 1863 vollends mit massiven psychosomatischen Beschwerden, Angst und Depression, so dass er im folgenden Jahr pensioniert werden musste. Nun hatte er Zeit für sein Spätwerk?, den großen historischen Roman Witiko, der die Gründung des Königreiches Böhmen im 12. Jahrhundert behandelt. Aber auch dieses Werk? wurde zum totalen Flop bei der Literaturkritik – nicht zuletzt, weil sich der Titelheld jeder nationalistischen Vereinnahmung (Deutscher oder Tscheche) verweigert und eine auf Ausgleich bedachte europäische Politik betreibt, was dem damaligen Zeitgeist völlig widersprach. Erst nach dem Fall des Eisernen Vorhangs Ende des letzten Jahrhunderts wurde der Roman sowohl in Deutschland und Österreich als auch in Tschechien wiederentdeckt und hoch gelobt. Stifter hat das vorausgesehen. „Mit dem "Witiko" werden mich die Leute erst in hundert Jahren verstehen“ sagte er zu seinem Bruder.

1867 erkrankte Stifter erneut schwer. Fieber, Schmerzen und eine Leberzirrhose führten bald zu weitgehender Bettlägerigkeit. Ende Januar 1868 brachte er sich selbst im Bett mit einem Rasiermesser eine schwere Verletzung am Hals bei, an der er zwei Tage später schließlich verstarb.

Adalbert Stifter hatte sein Leben gelebt. Als Biedermeier, der immer gutbürgerlich leben wollte, und der doch vom Bürgertum nie verstanden wurde. Als Dichter, der in seinen Werken ausführlichst Sittsamkeit und Sparsamkeit schildert und der selber zeitlebens chronisch pleite war und in seinen letzten beiden Jahrzehnten ständig vom Vorschuss? seines Verlegers lebte (zuletzt war sein Konto nach heutigem Geldwert um mehr als 100.000 Euro überzogen). Als Mensch, dem im eigenen Leben niemals der Frieden und die Harmonie zuteil wurde, die er in seinen Werken oft so faszinierend schildert (Hermann Hesse nannte ihn einen „milden Harmoniker“).

Foto: Gerhard Anzinger / Wikipedia.org

Übrigens ...

... wurde die Erzählung "Der Bergkristall" 2004 von Joseph Vilsmaier verfilmt.

Werke (Auswahl)

  • Bücher von Adalbert Stifter bei Jokers
  • Studien (OA 1844-1850), 13 Erzählungen, u. a. "Brigitta", "Abdias", "Der Hagestolz"
  • Wien und die Wiener (OA 1822)
  • Bunte Steine (OA 1853), Erzählungen, u. a. "Bergkristall"
  • Der Nachsommer (OA 1857)
  • Witiko (OA 1865-1867)

Literatur (Auswahl)

  • Matz, Wolfgang: Adalbert Stifter oder Diese fürchterliche Wendung der Dinge, Deutscher Taschenbuch Verlag, München 2005, ISBN: 978-3423342209
  • Roedl, Urban: Stifter, Adalbert: In Selbstzeugnissen und Bilddokumenten, Rowohlt Taschenbuch Verlag, Reinbek, 17. Aufl. 1965, ISBN: 978-3499500862

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