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Historischer Roman

Der historische Roman schildert geschichtliche Persönlichkeiten oder beglaubigte Ereignisse aus der Vergangenheit. Dabei formt er den historischen Stoff nach ästhetischen und intuitiv erfühlten Gesichtspunkten um. Als Begründer des historischen Romans gilt der englische Schriftsteller Walter Scott?.

Definition

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Der historische Roman oder Geschichtsroman ist ein Romantypus, in dem authentische historische Persönlichkeiten oder beglaubigte Ereignisse aus der Vergangenheit behandelt werden. Der historische Roman ist oft reich an Figuren und Handlungssträngen. Er überschneidet sich mit anderen Romantypen wie Zeitroman, Gesellschaftsroman, Familienroman oder biographischem Roman?. Eine sichere Unterscheidung ist daher in der Praxis oft nicht möglich und hängt maßgeblich vom Blickwinkel des Lesers ab.

Der historische Stoff wird in diesem Romantypus nach ästhetischen und intuitiv erfühlten Gesichtspunkten umgestaltet. Deshalb kann nicht alles, was darin geschildert wird, für wissenschaftlich belegt genommen werden: Neben die historische Plausibilität tritt die psychologische Glaubwürdigkeit und künstlerische Authentizität. Innerhalb des historischen Romans lassen sich verschiedene Gruppen unterscheiden: Die vornehmlich unterhaltenden Romane verwenden das historische Kolorit vor allem als Kulisse für Liebes-, Abenteuer- und andere Geschichten. Daneben stehen Romane, die mit der Schilderung zeittypischer Schicksale eine Einfühlung in die jeweilige historische Epoche und deren Selbstverständnis erreichen wollen.

Ein beliebter Stoff des historischen Romans ist z. B. die turbulente Lebensgeschichte des Feldherrn Albrecht von Wallenstein, die zahlreiche Schriftsteller zu verschiedenartigen Interpretationen angeregt hat. Zu den bedeutendsten Interpretationen des Wallenstein-Stoffes gehören Friedrich Schillers Dramentrilogie, Ricarda Huchs? Charakterstudie? und Alfred Döblins zweibändiger Wallenstein-Roman. Weitere beliebte Stoffe des historischen Romans stammen aus der Antike („Die letzten Tage von Pompeji“, 1834), dem Mittelalter? („Ekkehard“, 1855) und den Nationalgeschichten („Vom Winde verweht“, 1936).

Foto: Matthias Stöbener

Entstehung

Ivanhoe, Buchcover - (c) dtv

In Deutschland sind die ersten historischen Romane um 1800 entstanden. Ältere Prosawerke, die historische Stoffe verarbeiteten wie die Schlüssel?- und Staatsromane? des 17. Jahrhunderts, sind nur bedingt als Vorläufer des historischen Romans zu bezeichnen. Der Begründer des historischen Romans war Walter Scott?, der mit „Waverley“ (1814) und „Ivanhoe“ (1820) die weitere Entwicklung der neuen Gattung maßgeblich beeinflusste.

In direkter Nachfolge Scotts? veröffentlichten die französischen Romanautoren Prosper Mérimée („Die Bartholomäusnacht“, 1829) und Victor Hugo? („Der Glöckner von Notre Dame“, 1831) ihre bis heute bekannten Werke?. Die Anfänge des historischen Romans stehen in enger Verbindung mit dem gesteigerten Geschichtsbewusstsein der Romantik und dem Durchbruch des historischen Entwicklungsdenkens. Wichtige Wegbereiter auf dem Gebiet der Philosophie waren Voltaire?, Jean-Jacques Rousseau? und Johann Gottfried von Herder?.

Entwicklung

Angeregt durch den großen Erfolg von Scott? und Hugo?, begannen Autoren in ganz Europa, nationale Geschichte in der Form des historischen Romans zu gestalten. Wichtige Repräsentanten in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts waren in Italien Alessandro Manzoni? („Die Verlobten“, 1827), in Russland Nikolaj Gogol? („Abende auf dem Weiler bei Dikanka“, 1831/1832) und in den USA James Fenimore Cooper? („Wildsteller oder Die Prärie“, 1827), der in seinen Romanen erstmals auch das Leben der Indianer schilderte. Auch in Deutschland griffen die Autoren immer wieder auf die Vergangenheit zurück, insbesondere auf das Mittelalter?. Frühe Beispiele für historisches Erzählen in Deutschland sind „Heinrich von Ofterdingen“ (1802) von Novalis? und „Aus der Chronika eines fahrenden Schülers“ (1802-1817) von Clemens Brentano?.

Zum eigentlichen Durchbruch gelangte der historische Roman in Deutschland erst nach der Begegnung mit Walter Scott?. Zu nennen sind hier vor allem die aus Österreich stammende Autorin Karoline Pichler? („Die Schweden in Prag“, 1827), Wilhelm Hauff? („Lichtenstein“, 1826) und Willibald Alexis?, der mit seinen märkischen Romanen („Der Roland von Berlin“, 1840; „Die Hosen des Herrn von Bredow“, 1846; „Ruhe ist die erste Bürgerpflicht“, 1852) zum wichtigsten Vertreter des historischen Romans in Deutschland wurde. In der Mitte des 19. Jahrhunderts entstand auch eine deutsche Sonderform des historischen Romans: der Sittenroman?, als dessen Hauptvertreter der 1851 in Berlin gestorbene Schriftsteller und Pfarrer Johannes Wilhelm Meinhold? („Die Bernsteinhexe“, 1843) gilt.

Neue Einflüsse
Ein Kampf um Rom, Buchcover - (c) dtv

Die Beliebtheit historischer Stoffe nahm in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts weiter zu. Um 1850 geriet der historische Roman unter den Einfluss des Historismus? und der wissenschaftlichen Geschichtsschreibung, die auch andere Romantypen wie den Zeitroman und Gesellschaftsroman prägten. Der Historismus betrachtete historische Phänomene als Ergebnisse von Entwicklungsprozessen und daher in ihrer je eigenen geschichtlichen Besonderheit und Bedingtheit.

Wichtige Autoren dieser zweiten Phase waren in Deutschland Joseph Victor von Scheffel? („Ekkehard“, 1855) und Gustav Freytag?, der in seinem achtteiligen Zyklus? „Die Ahnen“ (1872-1881) die wechselvolle deutsche Geschichte von der Völkerwanderung bis in Jahr 1848 darstellte. Eine Sonderform waren die sogenannten Professorenromane? wie Felix Dahns? „Ein Kampf um Rom“ (1876). Der vermutlich bedeutendste historische Roman der Weltliteratur? ist Leo Tolstois? „Krieg und Frieden“ (1868/1869), der einen Ausschnitt aus der Zeit der Napoleonischen Kriege zeigt.

Der historische Roman im 20. Jahrhundert

Auch im 20. Jahrhundert nahm die Beliebtheit des historischen Romans nicht ab. Es entstand eine breite thematische und stoffliche Vielfalt, die kaum mehr zu überblicken ist. Wichtige Entwicklungslinien sind die zunehmende psychologische Vertiefung und das Aufzeigen soziokultureller Verflechtungen in einer bestimmten Epoche. Höhepunkte des historischen Romans in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts sind Alfred Döblins „Wallenstein“ (1920), Jakob Wassermanns? „Casper Hauser oder Die Trägheit des Herzens“ (1908) und Lion Feuchtwangers? „Die hässliche Herzogin“ (1923).

Beliebte Gegenwartsautoren, die mit ihren Geschichten aus vergangenen Epochen ein Millionenpublikum begeistern, sind: Ken Follett („Die Säulen der Erde“, 1990), Noah Gordon? („Der Medicus“, 1986) und Tanja Kinkel, die in „Die Puppenspieler“ (1995) eine spannende Geschichte aus der Zeit der Hexenverfolgung erzählt.

Viel Beifall für die herausragende Qualität ihrer historischen Romane erhielten unter anderem Per Olov Enquist? („Der Besuch des Leibarztes“, 1999), Christoph Ransmayr („Die Schrecken des Eises und der Finsternis“, 1984), Hanns-Josef Ortheil? („Im Licht der Lagune“, 1999) und Hilary Mantel ("Wölfe", 2010, und "Falken", 2012).

Literatur

  • Dahn, Felix: Ein Kampf um Rom. EA 1876. Dtv, München 2009, ISBN: 978-3423137645
  • Döblin, Alfred: Wallenstein. EA 1920. Dtv, München 2003, ISBN: 978-3423130950
  • Gordon, Noah: Der Medicus. EA 1986. Goldmann Verlag, München 1997, ISBN: 978-3442437689
  • Scott, Sir Walter: Ivanhoe. EA 1820. Dtv, München 2009, ISBN: 978-3423137652
  • Tolstoi, Leo: Krieg und Frieden. EA 1868/1869. Aufbau Verlag, Berlin 2007, ISBN: 978-3746624051

Sekundärliteratur

  • Bauer, Matthias: Romantheorie und Erzählforschung. Eine Einführung. Metzler Verlag, Stuttgart 2005, ISBN: 978-3476020796
  • Martinez, Matias / Scheffel, Michael: Einführung in die Erzähltheorie. C.H. Beck, München 2007, ISBN: 978-3406471308
  • Steinecke, Hartmut / Wahrenburg, Fritz: Romantheorie: Texte vom Barock bis zur Gegenwart. Reclam Verlag, Ditzingen 1999, ISBN: 978-3150180259

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