Hauptseite | Buchmenschen | Buchmenschen A-Z | H | Hesse, Herrmann | Hesses Werk


Hesses Werk

Grundzüge

Schon 1892 lehnt der junge Hesse den Pietismus seiner Eltern ab und bildet ein anthropozentrisches Weltbild aus - beeinflusst von Heinrich Heine und Iwan Turgenjew?. Vor allem Heine gibt ihm Rückhalt gegen die kirchliche Frömmelei und imponiert ihm als Spötter und Aufklärer, aber auch Turgenjew, der Nihilist und antiautoritäre Russe, gibt ihm und seinem Werk Impulse.

Aufgrund der Beschäftigung Hesses mit der Romantik und der Klassik ab 1895 wundert es nicht, dass seine Lyrik noch der romantischen Stilrichtung folgt. Auch die frühen Werke Hesses blicken noch ins 19. Jahrhundert zurück. So hat Hesse seinen Peter Camenzind immer in der Tradition des Grünen Heinrich von Gottfried Keller gesehen. Industrialisierung und Verstädterung werden von ihm abgelehnt. Oft stellt er Stadt und Land als Gegensätze dar, ähnlich wie das Männliche und Weibliche – ein Zug seines Schreibens, der sich auch in den späteren Werken? finden lässt.

Nachdem Hesse Carl Gustav Jung und seine Archetypenlehre kennengelernt hatte, wirkte sie sich in seinem Werk?, beginnend mit dem Demian aus. Immer wieder öffnen ältere Freunde oder Meister jüngeren Menschen in Hesses Werken den Weg zur Selbsterkenntnis, wahrscheinlich wurde er deshalb für viele Jugendliche zum Lieblingsautor. Innere Seelenlandschaften ersetzen mehr und mehr die Realität ins seinen Werken.

Nicht nur in Siddharta drückt sich die Spiritualität Hermann Hesses aus. Der Schriftsteller lässt christliche Mystik, indische Weisheitslehren, Taoismus und Buddhismus in seine Schriften einfließen. Allerdings bleibt der Kern seiner Weltauffassung individualistisch westlich, denn der Weg der Weisheit führt bei ihm immer über das Individuum. Neben der Spiritualität lässt Hesse auch seine Autobiographie einfließen, besonders in seinen späteren Werken?.

Nicht vergessen sollte man Hesses Buchrezensionen. Mehr als 3.000 Rezensionen sind erhalten. Erschienen sind sie in etwa 60 Zeitungen? und Zeitschriften?. Er hat kleine Erzählbände von unbekannten Autoren, aber auch philosophische Schriften über die asiatischen Strömungen der Philosophie rezensiert. Vielleicht ist es ihm zu verdanken, dass asiatische Zentralwerke im Westen ab den 1970er Jahren geistiges Allgemeingut geworden sind.

Individuationsromane

Vor allem diese Werke? Hesses begeisterten: Der Camenzind zu Beginn des 20. Jahrhunderts, der Demian die Soldaten des Ersten Weltkriegs und das Glasperlenspiel die Jugend nach dem Chaos des Zweiten Weltkriegs. Alle aber überragte der Steppenwolf an Faszination. Existentialismus, Kulturpessimismus und Technikfeindlichkeit kommen in dem Roman zum Ausdruck, der die Krankheiten der Zeit diagnostiziert. Noch die Psychedelics und Hippies der 1968-Protestgeneration nahmen sich die Flucht Harry Hallers in Sex, Musik, Rausch und fernöstliche Philosophie zum Vorbild und entwickelten auf Hesses Gedanken eine Gegenkultur. Aber auch Siddharta lebt über den Tod Hesses hinaus und steht für sein im Großen und Ganzen unpolitisch angelegtes Werk, das die Individuation der sensiblen und verstörten abendländischen Seele in den Mittelpunkt stellte. Immer ist diese Individuation aber mit einem zivilisations- und bildungskritischen "Zurück zur Natur" verbunden. Und anders als in der Wandervogeljugend oder bei Naturalisten wie Gerhart Hauptmann ist diese Individuation bei Hesse eine kompromisslose, die sich nicht anpasst, sondern den eigenen Weg geht - eigensinnig.

Hesse selbst sagt zu seiner Literatur: "Beinahe alle Prosadichtungen, die ich geschrieben habe, sind Seelenbiographien, in allen handelt es sich nicht um Geschichten, Verwicklungen und Spannungen, sondern sie sind im Grunde Monologe?, in denen eine einzige Person - wie Peter Camenzind, Knulp, Demian, Siddartha, Harry Haller - in ihren Beziehungen zur Welt und zum eigenen Ich betrachtet wird."

Hesses eigene Krisen bilden den Hintergrund seines Werks: die Flucht aus dem klösterlichen Seminar in Maulbronn und der Selbstfindungsprozess danach, die Abwendung vom Nationalismus der Kriegsgenerationen, der Tod des Vaters, seine Ehekrise, die eigene Nervenkrankheit … In seinen eigenen Krisen fand Hesse Halt im Schreiben und darin, dass er diese Tätigkeit als Selbstfindung begriff. Das ermöglichte es seinen Lesern, denen der Halt ebenfalls verloren gegangen war oder der ihnen drohte verlorenzugehen, sich mit seinem Ringen zu identifizieren. In seinem Werk? Krisis schreibt Hesse 1928: "In meinem Leben haben stats Perioden einer hochgespannten Sublimierung, einer auf Vergeistung zielenden Askese abgewechselt mit Zeiten der Hingabe an das naiv Sinnliche, ans Kindliche, Törichte, auch ans Verrückte und Gefährliche. Jeder Mensch hat das in sich."

Rezeption

Die Zeitgenossen beurteilten Hesses Frühwerk positiv. In der Zeit zwischen den beiden Weltkriegen fanden Hesses antimilitaristischen und antinationalistischen Äußerungen bei deutschen Literaturkritikern wenig Anklang, was sich auch auf seine Besprechungen durchschlug. Die Nazis verboten 1937 gar die Verbreitung seiner Bücher im Deutschen Reich.

Ganz anders nach dem Zweiten Weltkrieg. Es waren jüngere Generationen, die jetzt Hermann Hesse in ihrem Suchen nach einer geistigen und moralischen Neuorientierung entdeckten. Die Verurteilung Karlheinz Deschners?, der 1957 Hesses Werk vernichtend besprach, hatte noch Jahrzehnte lang Auswirkungen in der deutschsprachigen Literaturkritik, die sich z. T. der Ablehnung anschloss. Von Epigonentum? und Kitsch war die Sprache, doch konnte die deutschsprachige Kritik nicht den Hesse-Boom der 1960er Jahre in den USA verhindern, wo Hesse zu einem der meistübersetzten deutschsprachigen Autoren wurde, was dann wieder auf Europa wirkte und hier zu einer Neuentdeckung Hesses führte.

In seiner Geburtsstadt Calw gibt es seit 1977 das Internationale Hermann-Hesse-Kolloquium, auf dem sich Hermann-Hesse-Fachleute aus der ganzen Welt austauschen. Im Jahr 2000 fanden zum ersten Mal im Schweizer Engadin die Silser Hesse-Tage statt, bei denen Vorträge und Diskussionen auf der Agenda stehen.

Auch Preise wurden im Gedenken an Hesse gestiftet: So gibt es den Calwer Hermann-Hesse-Preis und den Karlsruher Hermann-Hesse-Literaturpreis.

Heute, in Zeiten der Postmoderne, haben sich die Versprechungen des Spiritualismus, der auch Hesse für sich reklamierte, als unerfüllbar erwiesen - wie zu Zeiten Hesses die Ideale des "alten" Europa. Und doch können seine Buecher auch heute noch Anreiz sein, die Synthese von Geist und Leben oder den Sinn des eigenen Lebens zu finden.


Hauptseite | Buchmenschen | Buchmenschen A-Z | H | Hesse, Herrmann | Hesses Werk

Daten hochladen
Buecher-Wiki Verlinken
FacebookTwitThis
Pin ItMister Wong
RSS-Feed RDF-Feed ATOM-Feed

schliessen