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Leben von Hermann Hesse

Kindheit und Jugend

Hermann Hesse wurde am 2. Juli 1877 in Calw/Württemberg geboren. Noch heute steht am Marktplatz von Calw Hesses Geburtshaus. Sein Geburtszimmer liegt im zweiten Obergeschoss hinter den beiden linken Fenstern.

Hesses Vater Johannes war ein pietistischer Missionar, seine Mutter Marie wurde 1842 als Tochter des bekannten Missionspredigers und Indologen Hermann Gundert in Ostindien geboren. Der Vater war Enkel eines von Lübeck nach Estland ausgewanderten Kaufmanns und stammte aus Weißenstein (damals Russland). Im Auftrag der Basler Mission ging er als Prediger nach Indien, wo er seine Frau kennen und lieben lernte. Hermann Hesse hatte fünf leibliche Geschwister, von denen zwei früh verstarben, sowie zwei Brüder aus der ersten Ehe seiner Mutter. Zurückgekehrt aus dem Missionsland Indien ließen sich Hesses Eltern in Calw nieder, wo Johannes Hesse ab 1873 Mitarbeiter des „Calwer Verlagsvereins“ war, in dem sein Schwiegervater Vorstand war, dem Johannes 1893 als Verlagsleiter und Vorstand bis 1905 folgte.

Hermann Hesse wuchs so in einem streng pietistischen Elternhaus mit einer intellektuellen Atmosphäre auf. Schon als Kind zeigt Hesse seine Fantasie, sein Talent und sein Temperament. So schrieb er Gedichte und malte ansprechende Bilder. Seine Mutter meinte, er habe eine „Riesenstärke“, einen starken Willen und einen „hohen Tyrannengeist“, so dass Gott „diesen stolzen Sinn in Arbeit nehmen“ müsse, damit etwas Gutes aus ihm werde. Schon als Zehnjähriger schrieb Hermann Hesse das Märchen "Die beiden Brüder", das 1951 publiziert wurde.

In seinen frühen Gerbersau-Erzählungen schimmern Erlebnisse aus Hesses Kindheit und Jugend in Calw durch - seine Abenteuer, die Eigenarten der Bewohner, vor allem die der Gerber, die noch immer Calw prägten. Hermann Hesse stand die Bibliothek seines gelehrten Großvaters Hermann Gundert zur Verfügung, in die er immer mehr eindrang und die seinen Blick weitete. Trotzdem verliefen seine Jugendjahre turbulent. Nach dem Willen der Eltern sollte er Theologe werden. Hesse aber wollte nicht, er hatte andere Pläne.

1881 musste Hermann Hesse mit seiner Familie für fünf Jahre nach Basel ziehen, wo er die Internatsschule der Mission besuchte. 1886 nach Calw zurückgekehrt, ging Hesse in die Calwer Lateinschule, von wo er 1890 auf die Lateinschule in Göppingen wechselte, die in auf das württembergische Landexamen vorbereiten sollte, mit dem er hätte Pfarrer oder Landesbeamter werden können. Ein Jahr später bestand Hermann Hesse dieses Examen in Stuttgart und besuchte anschließend das evangelisch-theologische Seminar in Maulbronn, von wo aus er aber im März 1892 flüchtete. Er floh, weil er es dort nicht aushielt und entweder Dichter oder gar nichts werden wollte, wie er später erklärte.

Mit einem Revolver versuchte sich Hermann Hesse im Mai 1892 in der von dem Theologen und Seelsorger Christoph Friedrich Blumhardt geleiteten Anstalt Bad Boll das Leben zu nehmen. Seine Eltern brachten ihn in die Nervenheilanstalt im damaligen Stetten im Remstal (heute Kernen im Remstal) bei Stuttgart. Hier arbeitete Hesse im Garten und half beim Unterrichten geistig behinderter Kinder.

Nach einem Selbstmordversuch begann für Hesse eine mehrjährige Odyssee durch verschiedene Schulen und Lehrberufe. Hesse fühlte sich einsam, war von pubertärem Trotz getrieben und glaubte, von seiner Familie unverstanden verstoßen worden zu sein. Die pietistisch-religiösen Traditionen seiner Herkunft konnte er nur noch als Scheinheiligkeit begreifen. Ende 1892 besuchte er das Gymnasium in Cannstatt, wo er zwar das Einjährigen-Examen bestand, aber dann die Schule abbrach.

1894 beginnt er in Esslingen am Neckar eine Buchhändlerlehre, doch schon nach drei Tagen verlässt er die Arbeitsstelle wieder. Im Frühsommer 1894 versucht er es mit einer Mechanikerlehre in der Turmuhrenfabrik Perrot in Calw, doch die Arbeit ist ihm viel zu monoton, weshalb er nach 14 Monaten auch diese Lehre aufgibt und sich im Oktober 1895 an einer neuen Buchhändlerlehre in Tübingen versucht. Das Volontariat in der Tübinger Buchhandlung hält er durch und geht anschließend als Buchhandlungsgehilfe nach Basel, wo er in einem Antiquariat arbeitete. Nebenbei veröffentlichte er Buchkritiken, vermischte Artikel und eigene literarische Arbeiten in verschiedenen Zeitungen? und Zeitschriften?. Seine Jugenderfahrungen verarbeitete Hesse später in seinem Roman "Unterm Rad".

Erste schriftstellerische Arbeiten

Bei der Buchhandlung Heckenhauer in Tübingen musste Hesse jeden Tag zwölf Stunden arbeiten. Seine knappe Freizeit am Abend und an Sonntagen nutzte er zur Lektüre theologischer und mythologischer Schriften, aber auch der Werke? von Goethe?, Lessing oder Schiller. Auch schriftstellerisch betätigte sich Hesse. So wurde 1896 das Gedicht "Madonna" in einer Wiener Zeitschrift gedruckt.

Nach Beendung seiner Lehre im Oktober 1898 war Hesse finanziell unabhängig. Damals wandte er sich der deutschen Romantik zu und las Autoren wie Novalis?, Tieck?, Brentano? oder Eichendorff?. Im Herbst 1898 erschien der erste Gedichtband von Hesse: "Romantische Lieder". Im Sommer 1899 folgte die Prosasammlung "Eine Stunde hinter Mitternacht". Beide Bücher erschienen im Diederichs Verlag? und verkauften sich nur mäßig.

Als Hesse ab dem Herbst 1899 in einer Baseler Antiquariat arbeitete, erhielt er durch den Kontakt zu Intellektuellen, die mit seinen Eltern in Kontakt standen, Zugang zu vielen künstlerischen und geistigen Anregungen, die in seine literarischen Versuche einflossen. Weil er an einer Sehschwäche litt, befreite man ihn im Jahr 1900 vom Militärdienst, dazu kamen Nerven- und Kopfschmerzen, die wie die Sehschwäche ein Leben lang anhielten. Unter Pseudonym erschien „Hermann Lauscher“.

Im Januar 1901 kündigte Hesse seine Stelle in Basel und reiste vom März bis Mai 1901 in italienische Städte. Zurückgekehrt nach Basel, verdingte er sich bei dem Antiquar Wattenwyl. Immer öfter erschienen Texte von Hesse in Zeitschriften? und erhöhten sein Einkommen. 1902 deckte Richard von Schaukal? die Urheberschaft? Hesses im Fall des „Hermann Lauscher“ auf.

1903 war für Hesse sowohl privat als auch schriftstellerisch ein wichtiges Jahr. Zum einen lernte er Maria Bernoulli kennen, die er „Mia“ nannte. Sie arbeitete als Fotografin und war neun Jahre älter als Hesse. Zusammen reisten sie nach Italien und Hesse heiratete sie 1904. 1903 erschien Hesses „Peter Camenzind“ als Vorabdruck, worauf der bekannte deutsche Verleger Samuel Fischer? auf Hesse aufmerksam wurde. Die Veröffentlichung des „Peter Camenzind“ im Fischer Verlag? (1904) bedeutete für Hesse den Durchbruch als Schriftsteller.

Ab 1904 lebte Hermann Hesse mit "Mia" nach ersten literarischen Erfolgen als freier Schriftsteller in einem Bauernhaus in Gaienhofen am Bodensee. Aus der Ehe mit "Mia" gingen drei Söhne hervor.

Erste Ehe, Krisen und Krieg

In Gaienhofen lebte das Ehe-Paar nach den Grundsätzen der Lebensreform zunächst so einfach wie möglich, ließ sich dann aber 1907 ein modernes Reform-Stil-Haus bauen und legte einen Garten zur Selbstversorgung an. In den Jahren bis zum Verkauf dieses Hauses entfremdete sich das Paar immer mehr, da Hesse in diesen Jahren viel unterwegs war und sie beide psychische Krisen zu durchleben hatten.

Nachdem 1906 „Unter dem Rad“ erschienen war, in dem Hesse seine Schul- und Ausbildungszeit literarisch aufarbeitete, lerne er den Dichter Gusto Gräser? kennen, mit dem er einige Zeit ein einer Grotte bei Ascona lebte. Das Leben eines Einsiedlers begleitet nach diesem Abenteuer die Dichtung Hesses als wiederkehrendes Motiv bis hin zum „Glasperlenspiel“.

Zurück in Gaienhofen veröffentlicht Hesse neben Erzählungen und Gedichte auch den Roman „Gertrud“ (1910), obwohl er von einer schweren Schaffenskrise geplagt wird. Seien es seine ehelichen Schwierigkeiten gewesen oder diese Schaffenskrise: 1911 reist Hesse nach Ceylon und Indonesien, um Abstand von daheim zu gewinnen und neue Inspirationen zu finden. Die Reise beeinflusst sein späteres Werk? in verschiedener Hinsicht, zunächst führt es zur Veröffentlichung? des Buches „Aus Indien“ im Jahr 1913. Schon gleich nach seiner Rückkehr nach Gaienhofen zog Hesse mit seiner Familie von Gaienhofen nach Bern um (1912). Der 1914 erschienene Roman „Roßhalde“ bringt zum Ausdruck, dass auch der Umzug die Differenzen zwischen den Eheleuten nicht mindern kann.

Als 1914 der Erste Weltkrieg ausbricht, meldet sich Hermann Hesse als Freiwilliger bei der deutschen Botschaft in der Schweiz, wird jedoch wegen Untauglichkeit abgewiesen. Stattdessen gewinnt ihn die Botschaft, für deutsche Kriegsgefangene Bücher zu sammeln und sie ihnen zu schicken. Auch engagiert er sich bei verschiedenen Zeitungen für deutsche Kriegsgefangene und ist zuständig für eine so genannte „Bücherei für deutsche Kriegsgefangene“. Durch einen Artikel vom November 1914, in dem er nationalistische Polemik ablehnt, gerät er in starke politische Auseinandersetzungen. Viele deutsche Intellektuelle attackieren ihn, er bekommt Hassbriefe und viele kündigen ihm die Freundschaft – außer der spätere Bundespräsident Theodor Heuss und der französische Schriftsteller Romain Rolland?, der ihn 1915 in der Schweiz besucht.

Das Jahr 1916 bringt schwere Schicksalsschläge (Tod des Vaters, Gehirnhautentzündung eines Sohnes) und zunehmende Spannungen mit seiner Frau, so dass Hesse sich psychotherapeutisch behandeln lassen muss. In dieser Zeit stehen ihm sein Freund Gusto Gräser? und dessen Ehefrau zur Seite. Der Aufenthalt bei dem Kriegsdienstverweigerer macht auch Hesse zum Kriegsgegner und er erlebt im gräserschen Haus eine große Wandlung, die dazu führt, dass er 1917 in einem dreiwöchigen Schaffensrausch seinem Freund den Roman „Demian“ als Denkmal setzt. Veröffentlicht wurde das Buch erst 1919 unter dem Pseudonym Emil Sinclair?. Thomas Mann nannte die Wirkung des „Demian“ „elektrisierend“, weil sie genau den Nerv der Zeit und der Jugend damals traf.

Scheidungen

Noch während des Krieges brach bei Hesses Frau eine schwere Psychose aus, doch auch nach ihrer Heilung und nach dem Krieg verschärften sich die Eheprobleme, so dass man die gemeinsame Wohnung in Bern aufließ und die Kinder zunächst bei Freunden unterbrachte. Die 1919 erschienene Erzählung „Klein und Wagner“ zeigt die Belastung Hesses in dieser Situtation und spiegelt die Trennung von seinem früheren Freund Gusto Gräßer?. Mitte April 1919 zieht Hesse allein ins Tessin um. Ab Mai 1919 wohnt er in Montagnola bei Lugano, wo er viele Jahrzehnte leben sollte. Sein erstes Haus dort nennt sich Casa Camuzzi und ist ein neobarocker Palazzo. Vom Balkon kann er den Luganersee überblicken. Die Heimstatt inspiriert ihn zunächst zu „Klingsors letzter Sommer“ (1920), aber auch zu Zeichnungen und Aquarellen.

Ruth Wenger wird seine Geliebte und inspiriert ihn zu der Romanfigur der Kamala. Kamala lehrt Siddhartha in dem 1922 erschienenen gleichnamigen Roman die Liebe. Hier kommt Hesses schon im Elternhaus erworbene Zuneigung zu östlichen Weisheitslehren und Indien zum Ausdruck.

1923 lässt sich Hermann Hesse von „Mia“ scheiden und heiratet 1924 seine Geliebte Ruth Wenger, die jedoch schon 1927 wieder geschieden wird, weil die Partner völlig verschiedene Lebensziele und –bedürfnisse hatten.

1925 erscheint „Kurgast“, 1927 „Die Nürnberger Reise“, beides autobiografische Erzählungen mit humorvollem, teilweise ironischem Unterton an. 1927 erscheint die erste Hesse- Biographie, geschrieben von seinem Freund Hugo Ball?. In diesem Jahr wurde Hesse 50 Jahre alt und veröffentlichte seinen erfolgreichsten Roman „Der Steppenwolf“, den er selbst als Warnung vor dem nächsten Weltkrieg verstanden wissen will, weshalb er von der damaligen deutschen Öffentlichkeit belächelt wird.

Ab 1928 verbringt Hesse viel Zeit mit Ninon Dolbin, die schon als 14-jährige Schülerin mit ihm Kontakt aufnahm und nun zu seiner Geliebten wird. Sie ist Kunsthistorikerin und wird Hesses dritte Ehefrau. 1930 veröffentlicht? Hesse „Narziß und Goldmund“.

1933-1945: in Deutschland unerwünscht

1931 heiratete Hermann Hesse die Kunsthistorikerin Ninon Dolbin (geborene Ausländer) und zog mit ihr in die größere Casa Hesse bzw. Casa Rossa (wegen ihres rötlichen Außenanstriches). Die neue Unterkunft war nicht weit von der Casa Camuzzi entfernt und war von einem Freund nach Hesses Wunsch erbaut worden. Im gleichen Jahr trat er aus politischen Gründen aus der Preußischen Akademie der Künste aus. Ebenfalls 1931 begann Hesse an seinem letzten großen Werk? zu schreiben, dem „Glasperlenspiel“. Schon 1932 veröffentlichte? er dazu die Erzählung „Die Morgenlandfahrt“. Hier wie im „Glasperlenspiel“ ist Motiv der Handlung die Jüngerschaft zu einem Meister oder Freund. Außerdem sind beide Schriften stark kulturpessimistisch und zivilisationskritisch.

In der Zeit von 1933 bis 1945 war Hesse zahlreichen Künstlern bei der Flucht aus dem nationalsozialistischen Deutschland behilflich, so bot er unter anderem Thomas Mann und Bertolt Brecht Unterschlupf auf ihrem Weg ins Exil. Hesses Werke galten in Deutschland als unerwünscht. 1942 gab er in der Schweiz sein lyrisches Gesamtwerk? heraus. Die meisten seiner Gedichte sind von schlichter, musikalischer Sprache und intensiver Eindringlichkeit der Bilder. In dieser Zeit machte Hesse auch als Zeichner und Maler von sich reden.

Nur der „Knulp“ konnte 1943 vom Suhrkamp Verlag in Deutschland noch nachaufgelegt werden. Der Kriegsgegner Hesse war in Deutschland nicht mehr erwünscht. Schon Mitte der 1930er Jahre wagte es kaum noch ein Verlag, Hesse zu Wort kommen zu lassen. 1943 erschien in der Schweiz „Das Glasperlenspiel“. Die Arbeit an diesem Werk? war Hesse über viele Jahre hinweg eine Art Zuflucht vor den Schrecken, für die Deutschland verantwortlich war. Immer wieder hatte er sich für jüdische und andere von den Nationalsozialisten verfolgte Schriftsteller einzusetzen versucht – ohne Erfolg.

Literaturnobelpreis und Lebensende

Hermann Hesse auf einem Buchcover - (c) Suhrkamp Verlag

Im Jahr 1946 wurde Hermann Hesse mit dem Nobelpreis für Literatur ausgezeichnet. In der Begründung der Jury hieß es, dass Hesse die Auszeichnung für sein Lebenswerk? erhalte, das in seiner kühnen und tiefgehenden Entwicklung die Ideale des klassischen Humanismus? ebenso wie die hohe Kunst des Stils repräsentiere.

Nach dem Zweiten Weltkrieg schrieb Hermann Hesse keine Romane mehr, sondern nur noch Gedichte und Erzählungen. Die meiste Zeit verwendete er für die Pflege einer immer größer werdenden Korrespondenz?. Immer mehr Menschen erhofften sich von ihm Lebenshilfe und Orientierung. Etwa 35.000 Briefe soll Hesse erhalten und etwa 17.000 Antwortbriefe geschrieben haben - ohne Sekretariat.

1955 wurde Hesse mit dem Friedenspreis des Deutschen Buchhandels gewürdigt.

In seinen letzten Lebensjahren erkrankte Hesse an Leukämie, was er selbst aber nicht wusste. Mit den "Bekenntnissen" des Kirchenvaters Augustinus? in der toten Hand, fand ihn seine Frau am 9. August 1962 im Bett. Hesse war im Schlaf an einem Gehirnschlag gestorben.


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