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Pseudoandronym

Das Pseudoandronym ist ein fingierter männlicher Name, den Autorinnen benutzen. Vor der Emanzipation der Frau mussten sich Schriftstellerinnen oft hinter Pseudoandronymen verbergen, um sich und ihre Werke auf dem Buchmarkt zu behaupten. Heute werden Pseudoandronyme und Pseudogynonyme (weiblicher Kunstname, den Männer benutzen) hauptsächlich von Autoren verwendet, die sich davon eine positivere Reaktion ihrer Leserschaft versprechen.

Das Pseudoandronym im 19. und beginnenden 20. Jahrhundert

Im 19. Jahrhundert nahm die Zahl der Autorinnen stetig zu. Zwar war das, was man Mädchen und Frauen an Bildung zugestand immer noch beschränkt und meist auf das Praktische bezogen, aber mit der Gründerzeit (2. Hälfte des 19. Jh.) änderte sich das langsam. Berufsfelder? für die Frau waren aber nur in einem sehr schmalen Korridor auszumachen. Während für die unteren Schichten als Beruf außer Haus nur das Dienstmädchen oder die Magd in Frage kamen, gab es für die höheren Schichten immerhin schon die Möglichkeit, Gouvernante, Lehrerin (konnte man durch den Besuch einer Höheren Töchterschule werden), Gesellschafterin oder Musikerin zu werden: Harfenistin war ein Beruf für Frauen, der als standesgemäß angesehen wurde. Dass der Beruf der Schriftstellerin eine weitere Möglichkeit bot, sich und eine Familie zu ernähren, bewiesen eine Reihe populärer Autorinnen im 19. Jahrhundert. Stellvertretend sei hier nur E. Marlitt? (Friederieke Henriette Christiane Eugenie John; 1825-1887) genannt, die sogar außerordentlich erfolgreich war.

Nicht wenige Autorinnen aber versteckten sich hinter einem männlichen Pseudonym. Hauptgrund war sicher, dass die Erfolgsaussichten für eine Veröffentlichung? höher eingeschätzt wurden. Bestimmt aber auch deshalb, weil eine Frau im 19. Jahrhundert immer unter dem Rechtfertigungszwang stand, sie würde ihre Pflichten als Ehefrau und Mutter durch die schriftstellerische Tätigkeit vernachlässigen. Die Ehe war nämlich immer noch die Zielvorstellung, die jedes Mädchen für ihr Leben zu entwickeln hatte. Rechte wurden ihr allerdings kaum zugestanden. Scheidungen waren für die Frau eine Katastrophe mit oft schwerwiegenden Folgen. Theodor Fontane? stellte dieses Dilemma mit seiner „Effi Briest?“ (1894) gesellschaftskritisch dar.

Gegen diese Situation begann ebenfalls in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, angeregt durch die französischen und englischen Aktivitäten der Frauenrechtlerinnen, auch in Deutschland eine Art Reformbewegung. Im aufkeimenden demokratischen Klima von 1848 forderte die Schriftstellerin und Frauenrechtlerin Louise Otto-Peters (18191895) die Erziehung der Frau zu selbstständiger wirtschaftlicher und geistiger Arbeit im Dienste nationaler und sozialer Ideale. Schon 1865 wurde in Leipzig der »Allgemeine Deutsche Frauenverein« gegründet. In Berlin folgte 1866 die Gründung des Lette-Vereins, der sich ausschließlich der weiblichen Erwerbsarbeit verschrieb. Die Frauenorganisationen vereinigten sich 1897 zum Internationalen Frauenbund.

Ein Studium war Frauen zumindest in Deutschland lange nicht möglich. Während in der Schweiz bereits 1840, in den angelsächsischen Ländern seit 1850, in den nordischen Ländern seit 1870 und in Italien ab 1875 Frauen studieren durften, wurde dies erst ab 1900 in Deutschland erlaubt – und das zögerlich. Aber eine Studienfreiheit war für die Frauen trotz allem noch nicht gegeben. Maria Montessori (1870-1952) wurde lange das Medizinstudium verwehrt. Es war den Männer vorbehalten. Erst über ein anderes Studium und nach einem ersten Hochschulabschluss in Naturwissenschaften gelang es ihr, sich für das Medizinstudium einzuschreiben.

Lucia Hacker? untersuchte 2007 in einer Studie 90 Autorinnen. 56 von ihnen verwendeten Pseudonyme, 15 wählten geschlechtsneutrale Namen, 10 weitere Männernamen. Allerdings waren viele von ihnen bereit, ihr Pseudonym zu lüften, als Franz Brümmer? (1836-1923) um Informationen für sein Deutsches Dichter-Lexikon nachfragte. Nur wenige hielten an ihrem Pseudonym fest, weil sie Negativurteile fürchteten, wie sie zum Beispiel der Sprach- und Literaturwissenschaftler Eduard Engel? (18511938) äußerte: „Eine zum Glück vereinzelt bleibende Erscheinung der weiblichen Erzählliteratur ist die gewollte Schamlosigkeit, die den ungesunden Reiz des Gegensatzes zwischen dem Geschlecht der Schreiberin und der Ausgezogenheit von Stoff und Darstellung zur Erzielung großer Markterfolge ausbeutet.“

Dabei war der Beruf der Schriftstellerin und auch der Redakteurin? durchaus schon anerkannt. In ihrem Buch "Spemanns goldenes Buch der Sitte" beschrieben Wolf Graf Baudissin? und Eva Gräfin Baudissin? im Jahr 1901 die Voraussetzungen, die für diesen Beruf mitgebracht werden müssen: „Eine Schriftstellerin muß eine vielseitige Bildung besitzen, sie muss es verstehen, dem »Geschmack des Publikums«, der Mode, so hässlich das auch klingen mag, zu folgen, sie muss scharf beobachten können, fließenden Stil und vor allem ein einwandfreies Deutsch? schreiben können. Allen diesen Bedingungen, die sich ja durch Fleiß schließlich erfüllen ließen, muss ein starkes Talent? zu Grunde liege, denn auf Dauer reicht die angelernte geschickte Handhabung der Feder nicht aus.“ Dass Redakteurposten durchaus mit Frauen besetzt wurden, weist der folgende Textauszug? aus dem gleichen Buch hin: „Zum Posten einer Redakteurin, der wohl deshalb vielfach begehrt wird, weil wenig bekannt ist, was von einer Redakteurin an Kenntnissen und Arbeitsleistung verlangt wird, eignen sich nur Damen, die eine vielseitige Bildung besitzen und einen offenen Blick für alle aktuellen Fragen haben. Auf den Redaktionen größerer Zeitungen? werden überhaupt nur Damen mit langjährigen Erfahrungen und den besten Zeugnissen angestellt.“ Woher die langjährige Erfahrung kommen soll, und wie die vielseitige Bildung erlangt werden sollte, die ja weitgehend von der Gesellschaft verwehrt wurde, wird allerdings in diesem Buch nicht erläutert.

Einzelne Autorinnen

Colette (1873-1954)

Colette in jüngeren Jahren - (c) Wikipedia

Die französische Autorin Colette? - mit vollständigem Namen: Sidonie-Gabrielle Claudine Colette - ist ein bekanntes Beispiel für eine Autorin, die unter männlichem Pseudonym veröffentlichte. Sie heiratete mit 20 Jahren den bereits dreißigjährigen Schriftsteller Henry Gauthier-Villars, der bald das Talent seiner Frau erkannte und ihre Romane unter seinem Pseudonym „Willy“ veröffentlichte. Dabei war die Arbeitsteilung alles andere als gleichberechtigt: Colette wurde von ihrem Mann eingesperrt, damit sie Romane und Fortsetzungen? lieferte, während er das Geld und den Ruhm kassierte. Die Romane (um die junge Frau Claudine), die ab 1896 erschienen, wurden außerordentlich erfolgreich. Aber - Colette emanzipierte sich von ihrem Mann. Sie ließ sich scheiden, veröffentlichte fortan unter ihrem eigenen Namen und wurde eine der erfolgreichsten französischen Schriftstellerinnen. Als erste Frau in Frankreich erhielt sie ein Staatsbegräbnis.

Foto: Chico/Wikipedia.org

Werke
  • Claudine-Romane, 1900-1903
    • Claudine erwacht
    • Claudine in Paris
    • Claudine in der Ehe
    • Claudine geht
  • Mitsou, 1919
  • Die Katze, 1933
  • Gigi, 1944

Ottilie Bach (1836-1905)

Ottilie Bach - (c) Wikipedia

Ottilie Bach? veröffentlichte mit 36 Jahren ihren ersten Roman „Ein Ehejoch“ (1872). Ihre nachfolgenden Romane und Erzählungen waren von der Frauenbewegung geprägt, in der sie als zweite Vorsitzende des Bundes deutscher Schriftstellerinnen tätig war. Sie kürzte ihren Vornamen bei Veröffentlichungen mit O. ab, um keinen eindeutigen Frauennamen zu zeigen oder veröffentlichte unter dem Pseudonym „Otto Ulrichs“. Von ihr stammt die Aussage: „Übrigens figurire ich bei den meisten Redaktionen als Herr, - und bei den Vorurtheilen die gegen schriftstellernde Frauen herrscht, ist mir der Irrthum nicht unlieb, da er ja dafür spricht, daß mein Styl männlich ist, oder vielmehr von Vielen so gefunden wird.“

Foto: Paulae/Wikipedia.org

Werke
  • Ein Ehejoch, 1872
  • Ein verfehltes Leben, 1877
  • Des Vaters Schuld, 1881
  • Schwere Tage, 1900

Marie Hirsch (1848-1911)

Marie Hirsch? schrieb unter dem Pseudonym "Adalbert Meinhardt" Novellen und Romane. Der deutsche Dichter Paul Heyse? brachte sie zur Schriftstellerei. Zur Wahl ihres Pseudonyms sagte sie, dass sie es nur angenommen habe, um möglichst ungestört arbeiten zu können. Später, als sie bekannt war, hätte sie es lieber abgelegt, das aber wollten die Verleger nicht mehr. In einem ihrer Romane, die sich vor allem um glücksuchende Menschen drehen, schreibt sie, dass vor dem kritischen Auge eines Rezensenten nur die männliche Autorschaft Bestand habe.

Werke
  • Reisenovellen, 1885
  • Heinz Kirchner, Briefroman, 1893
  • Der Bildhauer von Cauterets, 1915

Emmy Koeppel (1850-1916)

Weitgehend vergessen ist heute Emmy Koeppel?, eine aus Ahlen (Westfalen) stammende Sängerin. Sie schrieb unter dem Pseudonym "Georg Hartwig" Romane, die heute nur noch in Antiquariaten zu finden sind.

Werke
  • (Georg Hartwig) Anno Domini. Roman aus der Zeit des 30jährigen Krieges, 1890

Leonie Meyerhof (1858-1933)

Leonie Meyerhof? wuchs mit vier weiteren Geschwistern in einer deutsch-jüdischen Familie auf. Der Vater war Kaufmann in Hildesheim, wo sie die höhere Töchterschule besuchte. Die Mutter starb früh und 1868 zog Leonie mit dem Vater nach Frankfurt am Main. Später lebte sie in München und Berlin, überwiegend aber in Frankfurt. Als Frauenrechtlerin reflektierte sie in ihren Büchern das damalige Frauenbild. Zunächst veröffentlichte sie unter dem Pseudonym "Leo Hildeck", schrieb aber später unter ihrem richtigen Namen und 1907 anonym das von Anna Costenoble illustrierte Buch "Penthesileia: ein Frauenbrevier für männerfeindliche Stunden". Neben Romanen verfasste Meyerhof auch Theaterstücke und Liedtexte. Die Stadt Hildesheim ehrt sie heute noch dadurch, dass sie einen Leonie-Meyerhof-Ring nach ihrer früheren Bürgerin benannt hat.

Werke
  • (als Leo Hildeck) Töchter der Zeit. Münchner Roman, 1903
  • (anonym) Penthesileia: ein Frauenbrevier für männerfeindliche Stunden, 1907

Annie Hruschka (1867-1929)

Annie Hruschka?, österreichische Autorin, die mehr als 60 Romane, darunter 15 Kriminalromane geschrieben hat. Letztere veröffentlichte sie unter dem Namen "Erich Ebenstein". Mit dem Glauben der Leser, hier habe ein Mann geschrieben, erhoffte sie sie sich einen größeren Erfolg. Darüber hinaus nutzte sie auch die Pseudonyme "Hardy Langen" und "Niko Corona". Mit dem Pseudonym "Erich Ebenstein" wurde sie so bekannt, dass selbst 1978 noch in Reclams Kriminalromanführer die Verhältnisse verdreht wurden und Annie Hruschka als Pseudonym für den Autor Erich Ebenstein ausgegeben wurde. Immerhin erfand Hruschka mit Silas Hempel einen der ersten Serienermittler der Kriminalliteratur. Sie schrieb aber nicht nur Krimis, sondern auch Romane, in denen sie als Motiv die Liebe von Menschen aus unterschiedlichen gesellschaftlichen Schichten thematisierte.

Werke
  • Verirrte Seelen, 1899
  • Des Mannes Dämon, 1917
  • Die große Erbschaft, 1921
  • (als Erich Ebenstein) Der Tote aus Brasilien, Kriminalroman, 1927

Sophie Wörishöffer (1838-1890)

Sophie Wörishöffer - (c) Wikipedia

Kein männliches Pseudonym benutzte Sophie Wörishöffer. Die Tochter eines Holsteiner Anwalts verlor mit 13 Jahren den Vater und zog dann mit ihrer Mutter und Geschwistern nach Altona, wo sie eine höhere Töchterschule besuchte. Schon früh schrieb sie für Zeitschriften Erzählungen und Fortsetzungsromane?. 1866 heiratete sie den Architekten Albert Fischer Wörishöffer, der bereits vier Jahre später starb und sie mittellos zurückließ. Um sich und ihren Sohn durchzubringen, schrieb sie nun verstärkt Zeitungsartikel und Romane. Der Verlag Velhagen & Klasing wurde auf sie aufmerksam, beauftragte sie mit der Umarbeitung eines vor Jahren erschienen Jugendbuchs von "Robert dem Schiffsjungen Fahrten und Abenteuer auf der deutschen Handels- und Kriegsflotte", welches 1877 in ihrer Bearbeitung erschien und ein großer Erfolg wurde.

Für ein jährliches Honorar? von 2.000 Reichsmark (nach heutiger Kaufkraft ungefähr das Zehnfache in Euro) legte die Autorin jedes Jahr ein neues Abenteuerbuch für die „reifere Jugend“ vor. Der Verlag vertrat allerdings die Meinung, dass sich solche Bücher nur verkaufen ließen, wenn sie von Männern geschrieben wurden. Deshalb kürzten sie den Vornamen mit S. ab und listeten sie mit anderen Titeln auch als „Verfasser“ auf.

Foto: Sabisteb/Wikipedia.org

Werke
  • Robert des Schiffsjungen Fahrten und Abenteuer auf der deutschen Handels- und Kriegsflotte, 1977
  • Kreuz und quer durch Indien. Irrfahrten zweier junger deutscher Leichtmatrosen in der indischen Wunderwelt, 1884
  • Im Goldlande Kalifornien. Fahrten und Schicksale goldsuchender Auswanderer, 1891
  • Der Fluch der Schönheit, Roman, 1901

Literatur

  • Baudissin, Wolf Graf; Baudissin, Eva Gräfin: Spemanns goldenes Buch der Sitte. Berlin, Stuttgart, 1901
  • Hacker, Lucia: Schreibende Frauen um 1900, Lit Verlag, Berlin 2007, ISBN 978-3-8258-9885-4
  • Reigel, Franz: Annie Hruschka Erich Ebenstein. epubli, Berlin 2010
  • Weber-Kellermann, Ingeborg: Frauenleben im 19. Jahrhundert, Beck, München 1988, ISBN 3-406-33309-5

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