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Johnson, Uwe

Uwe Johnson (geb. 20. Juli 1934 in Cammin/Pommern; gest. 23. Februar 1984 in Sheerness-on-Sea/England) war ein deutscher Schriftsteller. Er galt als "Dichter beider Deutschland" und wurde vor allem durch seinen vierbändigen Romanzyklus "Jahrestage. Aus dem Leben von Gesine Cresspahl" berühmt.

Leben und Schreiben

Uwe Johnson 1961 - (c) Suhrkamp Verlag

Uwe Johnson wurde am 20. Juli 1934 in Cammin/Pommern als Sohn eines Landwirts und Gutsverwalters geboren. Seine Mutter war eine Bauerntochter aus Vorpommern. Gegen Ende des Zweiten Weltkriegs floh er mit seiner Mutter und seiner Schwester nach Recknitz, später nach Güstrow in Mecklenburg. Sein Vater wurde 1945 von der Roten Armee interniert und 1948 für tot erklärt (wahrscheinlich ist er schon 1946 in einem Lager gestorben).

Von 1946 bis 1952 besuchte Johnson die John-Brinckman-Oberschule in Güstrow. Im Anschluss ging er nach Rostock, wo er ab dem Sommersemester 1952 Germanistik? studierte. Weil er es ablehnte, sich an einer staatlich organisierten Verleumdungskampagne gegen die evangelische „Junge Gemeinde“ zu beteiligen, wurde er zwangsexmatrikuliert. 1954 schrieb er sich an der Karl-Marx-Universität in Leipzig ein, wo er bei dem renommierten Literaturwissenschaftler? Hans Mayer? studierte und 1956 mit einer Arbeit über Ernst Barlachs? postum veröffentlichten Roman „Der gestohlene Mond“ sein Examen bestand.

„Ingrid Babendererde. Reifeprüfung 1953“

Bereits während seines Studium hatte Johnson mit der Niederschrift des Romans „Ingrid Babendererde. Reifeprüfung 1953“ begonnen. Als er das Manuskript verschiedenen Verlagen in der DDR anbot, lehnten diese eine Publikation kommentarlos ab. Auch der westdeutsche Verleger Peter Suhrkamp?, dem der Roman gleichfalls vorlag, zeigte kein Interesse. Erst 1985 – nach Johnsons Tod – wurde „Ingrid Babendererde“ erstmals veröffentlicht.

In dem Roman geht es um die Abiturklasse 12a in einer mecklenburgischen Kleinstadt. Ingrid Babendererde, eine Schülerin der 12a, wird von der FDJ zu einem Diskussionsbeitrag aufgefordert. Sie lehnt es ab, über das vorgeschriebene Thema zu sprechen. Stattdessen hält sie eine flammende Rede für die Meinungsfreiheit.

Der Roman des damals 22-jährigen Autors ist für die Literaturwissenschaft deshalb von besonderem Interesse, weil hier einige typische Merkmale von Johnsons literarischem Werk? vorgeprägt sind. Dazu zählen vor allem der kategorische moralische Grundanspruch und Johnsons ureigener Schreibstil, der unter anderem durch exzessive Detailbeschreibungen gekennzeichnet ist.

„Mutmaßungen über Jakob“

1959 veröffentlichte der westdeutsche Suhrkamp Verlag Johnsons Roman „Mutmaßungen über Jakob“, der bei seinem Erscheinen außergewöhnliches Aufsehen erregte und den Autor über Nacht bekannt machte. Darin schildert Johnson das Geschick eines, wie es im Buch heißt, „gerechten“ Mannes. Jakob ist Eisenbahner in der DDR. Er soll – der Roman spielt in der Zeit nach dem Volksaufstand in Ungarn – zu seiner Jugendliebe in den Westen gehen. Sein Auftrag ist es, diese Jugendliebe, die als Nato-Sekretärin arbeitet, für die Tätigkeit des Staatssicherheitsdienstes zu gewinnen. Jakob kehrt, im Westen fremd und im Osten nicht mehr heimisch, zurück – beim Überschreiten der Schienen verunglückt er. Der Roman „Mutmaßungen über Jakob“ ist keine einfache Lektüre.

Die Handlung – die, wie der Titel schon sagt, im Grunde ausschließlich aus Mutmaßungen von Jakobs Freunden, Bekannten und der Geliebten besteht – scheint verworren und kommt hauptsächlich in Monologen?, Dialogen? und Beobachtungen der Figuren zum Ausdruck. Was zur Folge hatte, dass manche Kritiker bei dem Autor eine den Leser erschöpfende Verwirrmanie ausmachten. Das hervorstechende stilistische Merkmal ist der Verzicht auf den allwissenden Erzähler. An dem Tag, an dem „Mutmaßungen über Jakob“ in der BRD veröffentlicht wurde, verließ Johnson die DDR und ging nach West-Berlin.

1960 wurde Johnson mit dem Fontane-Preis der Stadt West-Berlin ausgezeichnet. Erich Kästner, der die Laudatio hielt, lobte Johnson für seine stilistische Brillanz und die Vieldeutigkeit seiner Literatur.

„Das dritte Buch über Achim“

Leichter lesbar, jedoch nicht weniger vielschichtig als „Mutmaßungen über Jakob“ ist Johnsons 1961 erschienener Roman „Das dritte Buch über Achim“, der deutliche Einflüsse des amerikanischen Romanciers William Faulkner und des französischen nouveau roman? erkennen lässt. Protagonist des Romans ist der Hamburger Journalist Karsch, der in die DDR geht, um ein drittes Buch über den Rennfahrer und Volkskammer-Angehörigen Achim zu schreiben. Gegenstand des Buches soll dessen Werdegang sein. Doch so sehr sich Karsch auch bemüht: Das Projekt scheitert. Denn Achim und seine Umwelt haben ein vollkommen anderes Bild ihres „Volkshelden“ als der Journalist aus dem Westen. Das Fazit von „Das dritte Buch über Achim“ lautet, dass die Entfremdung zwischen Ost- und Westdeutschland einen Punkt erreicht hat, an dem eine Verständigung selbst über Aspekte des Privatlebens nicht mehr möglich ist.

Der Roman wurde in zahlreiche Sprachen übersetzt. Nach der Veröffentlichung von „Das dritte Buch über Achim“ – der Ersterscheinungstag lag 14 Tage vor dem Bau der Mauer in Berlin – wurde Johnson in einem Interview gefragt, ob es in seinen Büchern ein Generalthema gäbe. Er überlegte, nickte und sagte: „Die Teilung, die Grenze, der Unterschied“. Vom Feuilleton? erhielt Johnson den Beinamen „Dichter beider Deutschland“.

1962 erhielt Johnson das Villa-Massimo-Stipendium in Rom. 1964 veröffentlichte er den Band „Karsch und andere Prosa“, der einige seiner bekanntesten Erzählungen enthält. 1965 folgte der Roman „Zwei Ansichten“, in dem sich Johnson einer weitgehend traditionellen Erzählweise bedient. Er schildert die Auswirkungen, die der Bau der Mauer 1961 in Berlin auf ein aus Ost und West stammendes Paar hat, das sich soeben erst kennengelernt hat: Beider Verhalten ändert sich dramatisch. Der Mann, ein Westdeutscher, projiziert sämtliche Glückserwartungen auf seine ferne Geliebte, bis deren wahre Person darunter nicht mehr erkennbar ist. Als die Frau ausreisen kann und die Beziehung lebbar wird, geht sie bald und unspektakulär zu Ende.

„Jahrestage. Aus dem Leben von Gesine Cresspahl“

Die Zeit von 1966 bis 1968 verbrachte Johnson in den USA, wo er als Schulbuchlektor im Verlag Harcourt, Brace and World tätig war.

1968 brachte er in New York die ersten Zeilen seines vierbändigen Romanzyklus? „Jahrestage. Aus dem Leben von Gesine Cresspahl“ zu Papier. Darin erzählt er die Geschichte seiner fiktiven Heldin Gesine Cresspahl, die seit den 1960er Jahren zusammen mit ihrer Tochter in New York lebt und in Gespräche mit ihr ihr Leben Revue passieren lässt. Die Handlung erstreckt sich über den Zeitraum eines Jahres: vom 21. August 1967 bis zum 20. August 1968. In dem Roman, der als einer der großen Zeitromane der deutschen Nachkriegsliteratur gilt, geht es allerdings nicht nur um den Lebensweg der Protagonistin, sondern auch – und hier offenbart sich der Doppelsinn des Titels – um symbolträchtige Jahrestage im öffentlichen Bewusstsein der Deutschen. So stehen neben den Erinnerungen Gesines an ihr früheres Leben in Mecklenburg und an ihre Eltern zahlreiche Reminiszenzen an bestimmte Fixpunkte der deutschen Geschichte in der Zeit der Weimarer Republik, des Nationalsozialismus und der Besatzungszeit. Immer wieder geht es auch um die Verantwortung des Einzelnen, Widerstand zu leisten.

Der Roman endet am 20. August 1968, dem Tag, als die Truppen des Warschauer Paktes den Prager Frühling niederschlugen. 1971 erschien „Jahrestage 2“, 1973 „Jahrestage 3“ und 1983 „Jahrestage 4“. Insgesamt schrieb Johnson 15 Jahre lang an dem Zyklus, zwischendurch unterbrochen durch eine fast zehnjährige Schreibblockade? und einen Herzinfarkt.

Herzversagen in der Grafschaft Kent

1971 wurde Johnson mit dem begehrten Georg-Büchner-Preis ausgezeichnet. 1974 verließ er Deutschland und siedelte nach England über, wo er bis zu seinem Tod in Sheerness-on-Sea auf der Themse-Insel Sheppey in der Grafschaft Kent lebte. Mitte der 1970er Jahre geriet Johnson in eine tiefe seelische Krise. Er soll davon überzeugt gewesen sein, dass seine Frau im Dienste Ost-Berliner Geheimagenten stehe und gegen ihn ermittle.

Am 12. März 1985 wurde Uwe Johnson tot in Sheerness aufgefunden. Als möglicher Todeszeitpunkt gilt der 23. Februar 1984. Er starb an Herzversagen.

Der Nachlass? von Uwe Johnson befindet sich im Uwe-Johnson-Archiv? der Universität Frankfurt am Main. Dem Schriftsteller zu Ehren wird seit 1994 der mit 12.500 Euro dotierte Uwe-Johnson-Preis? verliehen. Mit dieser Auszeichnung sollen deutschsprachige Autoren gefördert werden, in deren Schaffen sich Bezugspunkte zu Uwe Johnsons Poetik finden.

Übrigens ...

Die deutsche Regisseurin Margarethe von Trotta verfilmte "Jahrestage" mit Suzanne von Borsody in der Rolle der Gesine Cresspahl im Jahr 2000.

Im Juli 2012 wurde bekannt, dass die Universität Rostock, die als Zentrum der internationalen Johnson-Forschung gilt, eine Werkausgabe? des Schriftstellers plante. Es werde etwa 20 Jahre bis zur kompletten Herausgabe der Werkausgabe? dauern. Ebenfalls im Juli 2012 gab das Deutsche Literaturarchiv Marbach Johnsons Nachlass? an die Universität Rostock. Der Umzug war im Oktober 2012 vollzogen: Etwa 8.000 Bücher, 50.000 Blatt Manuskripte und Briefe sowie Einrichtungsgegenstände aus Uwe Johnsons letzter Wohnung in Sheerness waren damit nach Rostock transportiert worden, wo an der Universität inzwischen auch eine Uwe Johnson-Forschungsstelle eingerichtet worden war.

Auszeichnungen

Werke (Auswahl)

* Bücher von Uwe Johnson bei Jokers

  • Mutmaßungen über Jakob. EA 1959. Frankfurt am Main, Suhrkamp Verlag 1992, ISBN: 978-3518118184
  • Das dritte Buch über Achim. EA 1961. Frankfurt am Main, Suhrkamp Verlag 1961, ISBN: 978-3518033371
  • Karsch und andere Prosa. EA 1964. Frankfurt am Main, Suhrkamp Verlag 1990, ISBN: 978-3518382530
  • Zwei Ansichten. EA 1965. Frankfurt am Main, Suhrkamp Verlag 1998, ISBN: 978-3518386835
  • Jahrestage. Aus dem Leben von Gesine Cresspahl. 4 Bände. EA 1970-1983. Frankfurt am Main, Suhrkamp Verlag 1993, ISBN: 978-3518096024
  • Ingrid Babendererde. Reifeprüfung 1953. EA 1985. Frankfurt am Main, Suhrkamp Verlag 2006, ISBN: 978-3518118177

Hörspiele

Sekundärliteratur

  • Grambow, Jürgen: Uwe Johnson. Reinbek, Rowohlt Verlag 1997, ISBN: 978-3499504457
  • Hofmann, Michael: Uwe Johnson. Ditzingen, Reclam Verlag 2001, ISBN: 978-3150176252
  • Neumann, Bernd: Uwe Johnson. Berlin, Ullstein Verlag 2000, ISBN: 978-3548265681

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