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Proust, Marcel

Marcel Proust - (c) gemeinfrei

Marcel Proust (geb. 10. Juli 1871 in Auteuil / Vorort von Paris; gest. 18. November 1922 in Paris) war ein französischer Schriftsteller. Sein siebenbändiges Hauptwerk? „Auf der Suche nach der verlorenen Zeit“ gilt als einer der wichtigsten Romane des 20. Jahrhunderts. Prousts außergewöhnlicher Einfluss auf die Literatur ist bis heute ungebrochen.

Leben und Schreiben

Valentin Louis Georges Eugène Marcel Proust wurde am 10. Juli 1871 in Auteuil geboren, einem der vornehmsten und teuersten Viertel der französischen Hauptstadt. Sein Vater, Adrien Proust, war ein bedeutender Arzt und Medizinprofessor; seine Mutter, Jeanne Weil, stammte aus einer wohlhabenden jüdischen Bankiersfamilie. Die Bindung an die Mutter war Zeit seines Lebens besonders stark. Proust verlebte eine glückliche Kindheit in Paris, Illiers bei Chartres und im Seebad Cabourg. Vor allem die in Illiers verbrachte Zeit hat er später literarisch verarbeitet.

Seit seinem 9. Lebensjahr litt Proust an Asthma, weshalb er nur unregelmäßig die Schule besuchte. In den Jahren von 1882 bis 1889 war er Schüler eines privaten Gymnasiums, wo er sich hauptsächlich für Theater und Literatur begeisterte. Anschließend ging er freiwillig für ein Jahr zum Militär. Danach studierte er Rechts- und Literaturwissenschaft in Paris. Er arbeitete kurze Zeit in Anwaltsbüros. Da er finanziell unabhängig war, führte er jedoch bald ein Leben ohne Beruf.

Salonlöwe und Literaturduellant

Seit seiner Studentenzeit verfügte Proust über ausgezeichnete Verbindungen in mondäne Pariser Kreise. Häufig besuchte er den Salon der Madame Arman de Caillavet, wo vor allem die Pariser Aristokratie zu Gast war. Bis etwa zu seinem 35. Lebensjahr führte Proust ein Dasein als Snob und Dandy, der aufgrund seiner Herkunft und geistvollen Plaudereien geschätzt war. Auch diese Eindrücke hat er später literarisch verarbeitet, wobei er sich mit Blick auf die Pariser Salonkultur als ein Meister der subtilen Ironie erwies.

Im Jahr 1896 veröffentlichte er unter dem Titel „Les plaisiers et les jours“ (dt. „Tage der Freuden“, 1926) eine Sammlung früher Erzählungen und Prosaskizzen. Den Druck? des Buches hatte er selbst finanziert. Die Luxusausgabe? schmückten reiche Illustrationen sowie Klavierstücke von Prousts Freund Reynaldo Hahn (französischer Komponist, 1874-1947). Bei der Literaturkritik fand das Debüt? jedoch kaum Beachtung. Den Kritiker Jean Lorrain? (1855-1906), der Proust auf persönlich verletzende Weise parodiert hatte, forderte er sogar zum Duell. Heute liest sich „Tage der Freuden“ wie ein Vorspiel zu Prousts Hauptwerk? „Auf der Suche nach der verlorenen Zeit“: Zentrale Themen wie Liebe, Krankheit? und Tod?, aber auch Selbstentfremdung und seelischer Wandel durch die Zeit klingen in den Prosastücken an.

Gedanken über die Natur des Lesens

Weitreichende intellektuelle Impulse empfing Proust vom englischen Kunstkritiker und Historiker John Ruskin? (1819-1900), mit dessen theoretischen Schriften er sich um die Jahrhundertwende immer wieder auseinandersetzte. Ruskin? ging als einer der Ersten der Frage nach, wie sich das Lesen auf den Leser und dessen Natur auswirkt.

Daraus entwickelte Proust in dem postum erschienenen Essay „Contre Sainte-Beuve“ (1958, entstanden 1908-1910; dt. „Gegen Sainte-Beuve“, 1962) eine eigene Literatur- und Lesetheorie, wonach das Lesen eine Art Selbstgespräch inmitten der Einsamkeit darstellt. Dabei repräsentiert das Buch nicht den Autor, sondern dient dem Leser vielmehr als Anstoß, Wege in sein Inneres zu finden. Diese spirituelle Sichtweise hatte unter Prousts Zeitgenossen eine große Anhängerschaft.

Das Hauptwerk entsteht

Nach dem traumatisch empfundenen Tod der Mutter im Jahr 1905 und der steten Verschlimmerung seines Asthmaleidens zog sich Proust vom rauschhaften Pariser Salonleben in sein privates Exil zurück. Das vollständige Abtauchen in die Einsamkeit eines schallisolierten Zimmers am Pariser Boulevard Haussmann machte seit 1908 die akribische Arbeit an seinem monumentalen Hauptwerk? zum einzigen Inhalt seines Lebens.

Immer wieder von tiefen Depressionen niedergeworfen, beendete Proust im März 1922 „À la recherche du temps perdu“ (7 Teile, erschienen 1913-1927; dt. „Auf der Suche nach der verlorenen Zeit“). Die wenigen Monate bis zu seinem Tod führte er die Korrekturen? an den ungedruckten und schon gedruckten Romanteilen aus – übrigens sehr zum Leidwesen der Buchdrucker?, da für Proust der Erinnerungs- und Schreibprozess niemals abgeschlossen war.

„Auf der Suche nach der verlorenen Zeit“ (1913-1927)

Prousts siebenbändiger Romanzyklus? (alle Teile in sich abgeschlossen) „Auf der Suche nach der verlorenen Zeit“ gilt als eines der bedeutendsten und vielschichtigsten Werke? der Weltliteratur?. Vergleichbar wohl nur mit James Joyces „Ulysses“ (1922), Hermann Brochs „Die Schlafwandler“ (1930-1932) und Robert Musils „Der Mann ohne Eigenschaften“ (1930-1943). Der an Handlung arme Roman umfasst rund 42 Lebensjahre des Ich-Erzählers Marcel (der Name wird nur einmal genannt, der Protagonist ist NICHT mit Proust identisch!), historisch die Zeit vom Ende des Deutsch-Französischen Krieges von 1870/1871 bis zum Ende des Ersten Weltkrieges 1914. Wobei nicht die großen historischen Ereignisse im Mittelpunkt stehen, sondern ihre Auswirkungen auf Menschen und Gesellschaft.

Charakteristisch für Prousts Stil sind überlange, nuancenreiche Sätze?, die den Fluss und die Fülle der Realität in Bildern und Vergleichen? zu erfassen suchen. Viele seiner Sätze? faszinieren durch Rhythmus und Harmonie – nicht nur im Original, sondern auch in den deutschen Übersetzungen.

Den berühmten ersten Teil „Du côté de chez Swann“ (1913; dt. „Der Weg zu Swann“, 1926) ließ Proust auf eigene Kosten drucken?. Die Resonanz bei Publikum? und Literaturkritik war enttäuschend. Der zweite Teil „À l’ombre des jeunes filles en fleurs“ (1919; dt. „Im Schatten junger Mädchenblüte“, 1926) brachte den Durchbruch und trug Proust zudem den Prix Goncourt? ein, den begehrtesten französischen Literaturpreis. Es folgten die beiden Teile „Le côté de Guermantes“ (1920/1921; dt. „Die Welt der Guermantes“, 1930) und „Sodome et Gomorrhe“ (1921-1923; dt. „Sodom und Gomorrha“, 1956). Postum erschienen „La prisonnière“ (1923; dt. „Die Gefangene“, 1957), „Albertine disparue“ (1925; dt. „Die Entflohene“, 1957) und „Le temps retrouvé“ (1927; dt. „Die wiedergefundene Zeit“, 1957).

„Der Weg zu Swann“ (1913)

Am bedeutendsten ist wahrscheinlich der Auftakt-Band „In Swanns Welt“ bzw. „Auf dem Weg zu Swann“, der 1984 von Volker Schlöndorff? unter dem Titel „Eine Liebe von Swann“ verfilmt wurde (mit Jeremy Irons, Alain Delon und Ornella Muti). Am 13. November 1913 erschien „Der Weg zu Swann“ bei Grasset?, nachdem der Roman zuvor von verschiedenen Verlegern, u. a. von André Gide?, dem damaligen Lektor im Verlag Gallimard?, abgelehnt worden war. Später sagte Gide?, dass dies der größte berufliche Fehler seines Lebens gewesen sei. Die deutsche Erstausgabe? erschien 1926 im Berliner Verlag Die Schmiede?, übersetzt von Rudolf Schottlaender?.

Der Band besteht aus zwei Teilen: Der erste Teil trägt den Titel „Combray“, der zweite „Der Weg zu Swann“. Beide zusammen bilden die Ouvertüre des Romanzyklus?. Der erste Teil steht im Zeichen des Erinnerns. Der Protagonist ist in der Lage, die Erinnerung bewusst herbeizuführen. Intensiver – buchstäblich überwältigend – tritt die Erinnerung jedoch auf, wenn sie sich unwillkürlich einstellt, z. B. durch überraschende Sinneseindrücke. Zu Berühmtheit gelangte die Madelaine-Episode: Hier bringt der Geruch eines in Lindenblütentee getauchten Gebäckstückes dem Erzähler die lange vergangenen Erlebnisse der Kindheit ins Gedächtnis.

Der zweite Teil erzählt von der tragischen Liebe zwischen dem Dandy und Kunstfreund Swann und der Halbweltdame Odette. Swanns Liebe entfacht, als er zufällig bemerkt, dass Odette einem mittelalterlichen Kunstwerk ähnlich sieht. Zuvor war ihm die junge Frau gleichgültig gewesen. Nun aber beginnt ein fatales Spiel von Liebesbezeugung und Liebesentzug, das den gesundheitlich arg angeschlagenen Swann seelisch und körperlich erschöpft. Bestimmendes Thema ist Eifersucht. Daneben entwirft Proust ein mit feiner Ironie gezeichnetes Gesellschaftsporträt, das die hohlen Rituale der Pariser Bourgeoisie und den schleichenden Verfall der französischen Aristokratie am Ende des 19. Jahrhunderts zeigt.

Marcel Proust starb am 18. November 1922 in Paris. Er wurde als Ritter der Ehrenlegion mit militärischen Ehren auf dem Friedhof Père-Lachaise neben seinen Eltern beigesetzt.

Würdigung

Marcel Prousts Einfluss auf die Literatur des 20. Jahrhunderts ist kaum zu überschätzen. Er gilt neben James Joyce, Robert Musil, Hermann Broch und Alfred Döblin als einer der bedeutendsten Neuschöpfer der Epik. Sein beherrschendes Thema ist die Anatomie der menschlichen Seele, deren subtilste Regungen er mit minutiöser Genauigkeit offenlegt. Dabei verknüpft er Vergangenes mit Gegenwärtigem, chronologisches Erzählen mit assoziativen Geschehnisabläufen. So enthalten seine Werke? mehrere, oft widersprüchliche Verständnisebenen. Bis heute fordert Prousts Romanzyklus? „Auf der Suche nach der verlorenen Zeit“ Leser, Literaturkritiker und Literaturwissenschaftler? zu immer neuen Interpretation Deutungsversuchen heraus.

Übrigens ...

wurde die Kleinstadt Illiers durch Marcel Proust weltberühmt, der sie unter dem Namen Combray in seinem Roman „Die Suche nach der verlorenen Zeit“ beschrieb. Die heutige Namensgebung Illiers-Combray wurde 1971 beschlossen. Anlass war der 100. Geburtstag des Schriftstellers. Damit ist Illiers-Combray die einzige französische Kommune, die einen aus einem literarischen Werk? hervorgegangenen Namen trägt.

Auszeichnungen

Werke (Auswahl)

  • Bücher von Marcel Proust bei Jokers
  • Auf der Suche nach der verlorenen Zeit. EA 1913-1927. 7 Bände. Frankfurter Ausgabe. Suhrkamp Verlag, Berlin 2011, ISBN: 978-3518061756
  • Briefwechsel mit der Mutter. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 1970, ISBN: 978-3518012390

Hörbücher

  • Auf der Suche nach der verlorenen Zeit. Teil 1-7. Gesamtausgabe. MP3. Der Hörverlag, München 2010, ISBN: 978-3867176828
  • Suchers Leidenschaften. Marcel Proust - Eine Einführung in Leben und Werk. 1 CD. Argon Verlag, Berlin 2008, ISBN: 978-3866105188

Sekundärliteratur

  • Botton, Alain de: Wie Proust ihr Leben verändern kann. Eine Anleitung. S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2000, ISBN: 978-3596137343
  • Hölter, Achim: Marcel Proust. Leseerfahrungen deutschsprachiger Schriftsteller von Theodor W. Adorno bis Stefan Zweig. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 1998, ISBN: 978-3518392911
  • Michel-Thiriet, Philippe: Das Marcel Proust Lexikon. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 1999, ISBN: 978-3518395493

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