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Kalendergeschichte

Die Kalendergeschichte ist eine kurze volkstümliche Erzählung mit belehrend-erbaulicher? Tendenz. Als eigenständiges literarisches Genre wurde sie durch Johann Peter Hebels? „Schatzkästlein des rheinischen Hausfreundes“ begründet.

Definition

Nach literaturwissenschaftlicher Definition ist der Begriff Kalendergeschichte eine Sammelbezeichnung für kürzere, zumeist realitätsbezogene volkstümliche Prosaerzählungen, in denen sich Elemente aus Anekdote, Legende, Parabel, Sage, Satire und Schwank? vereinigen. Sie hat häufig eine belehrend-erbauliche? Tendenz und ist an bestimmte Landschaften (Südwestdeutschland) und ein zumeist bäuerliches und kleinbürgerliches Personal gebunden. Lange Zeit war sie neben der Bibel und dem Gesangbuch das einzige literarische Medium der niederen Volksschichten.

Entstehung

Die Entstehung der Kalendergeschichte geht einher mit der Entwicklung des Buchdrucks? und der Verbreitung des gedruckten Kalenders?, der vor allem bei Bauern, Arbeitern und Kleinbürgern sehr beliebt war. Der erste gedruckte Kalender ist 1455 nachgewiesen, vorher waren Kalender in Form von Holzschnitten gebräuchlich. Seit dem 18. Jahrhundert ist die Kalendergeschichte ein wichtiger Bestandteil der Volkskalender? und bleibt lange Zeit an diese Publikationsform gebunden.

Neben dem Verzeichnis von Tagen, Wochen und Monaten sind die Kalender zunächst ausschließlich mit praktischen Hinweisen wie Rezepten, Gesundheitsregeln und Maßangaben versehen. Später treten Sprichwörter, Zitate und kurze Erzählungen hinzu. Das Wort Kalendergeschichte taucht erstmals in der Erzählung „Geschichte der Abderiten“ von C. M. Wieland auf. Wieland verwendet das Wort allerdings nicht im Sinne der traditionellen literaturwissenschaftlichen Definition, sondern als Bezeichnung für eine kurze Erzählung, die ein historisches Ereignis zum Inhalt hat.

Zu den prominentesten Verfassern von Kalendergeschichten gehören in der Frühzeit ihres Bestehens H. J. C. von Grimmelshausen („Ewigwährender Kalender“ 1670, „Wundergeschichten-Kalender“ 1669-1673) und P. Gengenbach?. In den Geschichten, in denen zumeist unterhaltsame Szenen aus dem Volksleben geschildert werden, herrscht ein volkstümlich-lehrhafter Ton vor.

Entwicklung

Begründer der Kalendergeschichte als eigenständige literarische Gattung ist Johann Peter Hebel?, der in seinem Erzählband „Schatzkästlein des rheinischen Hausfreundes“ (1811) die Geschichte vom Kalender ablöste und ihr damit die literarische Eigenständigkeit gab. Typisch für Hebels Kalendergeschichten ist das Auftreten bestimmter fiktiverFiguren, dazu zählen unter anderem der „Hausfreund“, der „Gevattermann“ und der „Kalendermann“. Diese Figuren treten dann gewissermaßen aus dem Kalender heraus und führen einen Dialog? mit dem Leser – häufig in der Absicht, eine moralische Wirkung zu erzielen.

Hebels? „Schatzkästlein des rheinischen Hausfreundes“ wurde aufgrund seiner volkstümlichen und einfachen Erzählweise zum Vorbild für eine ganze Reihe von literarischen? Nachfolgern. Diese Nachfolger bildeten jedoch keine homogene Gruppe. Ihre Geschichten weisen im Gegenteil starke Unterschiede in der ideologischen Akzentuierung auf.

So gab es katholisch-konservative Autoren wie A. I. Stolz? und P. Rosegger, die in ihren Kalendergeschichten dezidiert gegenaufklärerische und antidemokratische Botschaften verbreiteten. Gleichzeitig gab es Autoren wie B. Auerbach? und L. Anzengruber?, die mit ihren Geschichten einen Beitrag zur Emanzipation des Volkes von kirchlichen und staatlichen Institutionen leisten wollten. Daneben kamen in den 60er Jahren des 19. Jahrhunderts sozialdemokratische Kalendergeschichten auf, in denen die Autoren mit politischen Parolen zum Klassenkampf aufriefen.

Vor allem in Südwestdeutschland hat sich die an das Medium des Kalenders gebundene Kalendergeschichte bis ins 20. Jahrhundert erhalten.

Von dieser geographischen Besonderheit abgesehen, tritt die Kalendergeschichte im 20. Jahrhundert vorwiegend als eigenständige Kunstform auf. Bevorzugte Publikationsmedien sind Zeitungen?, Zeitschriften?, Anthologien? und Bücher. Zu den bedeutendsten Verfassern von Kalendergeschichten im 20. Jahrhundert gehören Oskar Maria Graf („Kalender-Geschichten“, 1929), Bertolt Brecht („Kalendergeschichten“, 1949) und Erwin Strittmatter? („Schulzendorfer Kramkalender“, 1969).

Sekundärliteratur

  • Geerlings, Wilhelm: Der Kalender. Aspekte einer Geschichte. Paderborn, Schöningh Verlag 2002, ISBN: 978-3506731128
  • Knopf, Jan: Die deutsche Kalendergeschichte. Frankfurt am Main, Suhrkamp Verlag 1983, ISBN: 978-3518385302
  • Rohner, Ludwig: Kalendergeschichte und Kalender. Planegg, Buchverlag Koch 1982, ISBN: 978-3799706926

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