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Saramago, José

José Saramago beim San Sebastián International Film Festival 2006  - (c) Abbas Yari / Persian Wikipedia

José de Sousa Saramago (geb. 16. November 1922 in Azinhaga/Portugal; gest. 18. Juni 2010 in Tías auf Lanzarote) war ein portugiesischer Schriftsteller, Dramatiker? und Journalist. Er wurde 1998 mit dem Nobelpreis für Literatur ausgezeichnet. Sein bekanntester Roman „Die Stadt der Blinden“ („Ensaio Sobre a Cegueira“) erschien 1995 und wurde 2008 vom brasilianischen Regisseur Fernando Meirelles verfilmt.

Foto: Abbas Yari / Persian Wikipedia

Leben und Schreiben

José Saramago wurde in Azinhaga, einem kleinen Dorf in der portugiesischen Region des Ribatejo, als José de Sousa geboren. Seinen Beinamen „Saramago“ verdankte er dem dortigen Standesbeamten, der ihn in Eigeninitiative in den Ausweis eintrug, da die Eltern seines Vaters - eine Familie landloser Bauern - im Dorf unter diesem Namen bekannt waren. („Saramago“ ist eine Rettichart, die zur damaligen Zeit vor allem der armen Bevölkerung als Nahrung diente).

1924 zog Saramago im Alter von zwei Jahren mit seinen Eltern nach Lissabon, wo der Vater eine Anstellung als Polizist fand. Von nun an stellte die portugiesische Hauptstadt - nur unterbrochen von längeren Aufenthalten bei den Großeltern auf dem Land - seinen Lebensmittelpunkt dar. Die finanziellen Schwierigkeiten seiner Eltern hinderten ihn trotz ausgezeichneter schulischer Leistungen am Besuch der Universität. So lernte er an einer technischen Fachschule den Beruf des Mechanikers. Auf dem Lehrplan stand jedoch auch das Fach Literatur, und Saramago - Sohn einer Analphabetin und eines ebenso wenig gebildeten Vaters - fand zum ersten Mal den Kontakt zu portugiesischen Werken. Von nun an von Büchern fasziniert, besuchte der Autodidakt abends die Stadtbibliothek Palácio das Galveias. (Erst mit neunzehn Jahren konnte sich Saramago mit geliehenem Geld eigene Bücher kaufen.)

„Land der Sühne“ (1947)

Mit 25 Jahren - mittlerweile Beamter in einer Sozialwohlfahrt - veröffentlichte Saramago seinen ersten Roman „Land der Sühne“ („Terra do Pecado“, 1947). Im selben Jahr wurde sein einziges Kind geboren: Tochter Violante, von seiner ersten Frau, der Malerin Ilda Reis, die er 1944 heiratete.

Nach „Land der Sühne“ legte Saramago seinem Verleger die Novelle „Clarabóia“ vor, die, von diesem zurückgewiesen, bis heute unentdeckt blieb. Daraufhin in dem Glauben, nichts Wesentliches mehr zu sagen zu haben, veröffentlichte Saramago neunzehn Jahre nichts. Da sein erster Roman kein kommerzieller Erfolg war und er aus politischen Gründen 1949 als Beamter entlassen wurde, begann Saramago ab 1955 mit Übersetzungen der Werke Hegels?, Tolstois?, Baudelaires? und anderer Autoren, um seine Einkünfte zu verbessern.

„Die möglichen Gedichte“ (1966)

Ende der 1950er Jahre begann er auch in der Produktion für den Verlag Estúdios Cor zu arbeiten. Dort kam er mit vielen Schriftstellern in Kontakt und begann nach längerer Auszeit wieder damit, seine literarische Laufbahn zu verfolgen. Zu dieser Zeit wurde auch das berühmte Café „A Brasileira“ am Chiado - ein Sammelplatz für Literaten und Intellektuelle, die vor allem während der Diktatur unter Salazar oppositionelle Diskussionsrunden (Tértúlias) bildeten - zu seinem Stammcafé.

1966 tauschte Saramago Prosa gegen Poesie und veröffentlichte seinen ersten Gedichtband „Os Poemas Possíveis“ („Die möglichen Gedichte“). Innerhalb von fünf Jahren veröffentlichte er zwei weitere Bände: „Provavelmente Alegria“ („Vermutlich Fröhlichkeit“, 1970) und „O Ano de 1993“ („Das Jahr von 1993“, 1975).

Ab 1967 begann er als Literaturkritiker und politischer Chronist für den „Diário de Notícias“, später für den „Diário de Lisboa“, zu arbeiten. Seine gesammelten Kritiken veröffentlichte er in vier Chroniken?: „Deste Mundo e do Outro“ (1971), „A Bagagem do Viajante“ (1973), „As Opiniões que o DL Teve“ (1974) und „Os Apontamentos“ (1976).

Nelkenrevolution in Portugal

Als vehementer Kritiker des Salazar-Regimes wurde Saramago - auch bekannt durch seinen Atheismus und Iberismus - ab 1969 Mitglied der damals noch verbotenen Kommunistischen Partei Portugals (Partido Comunista Português).

1971 verließ er Estúdios Cor und kehrte 1975 als stellvertretender Leiter zum „Diário de Notícias“ zurück - doch lediglich für zehn Monate. Nachdem Portugal durch die Nelkenrevolution und dem Sturz Salazars die Demokratie erlangt hatte und die Rebellion der Kommunisten gescheitert war, wurde Saramago am 25. November 1975 wieder entlassen. Der Portugiese beschloss nun endgültig, sich ausschließlich der Literatur zu widmen, und wurde vom Journalisten zum freien Schriftsteller.

„Hoffnung im Alentejo“ (1980)

Drei Jahrzehnte nach der Veröffentlichung von „Land der Sühne“, kehrte Saramago mit „Das Handbuch der Malerei und der Kalligraphie“ („Manual de Pintura e Caligrafia“, 1977, dt. 1990) in die Welt der fiktionalen Prosa zurück. Der nationale Durchbruch gelang ihm schließlich mit „Levantado do Chão“ („Hoffnung im Alentejo“, 1980) - der autobiographisch gefärbten Familienchronik? über das Leben der armen, ländlichen Bevölkerung des Alentejo und ihrem Kampf gegen den Feudalismus.

Zwei Jahre nach „Hoffnung im Alentejo“, erschien der blasphemisch-ironische Liebes- und Historienroman „Memorial do Convento“ („Das Memorial“, 1982), der zur Zeit der Inquisition spielt. Saramago greift hier wieder das Thema des Kampfes des Einzelnen gegen die herrschende Klasse auf, welches er auch in seinen anderen Werken? immer wieder als Metapher des marxistischen Klassenkampfes verwendet. Der Roman, der auch die harsche Kritik gegen die Kirche thematisiert, die nur im Dienst der Unterdrücker steht, brachte ihm nicht nur den internationalen Durchbruch, sondern auch die ersehnte finanzielle Unabhängigkeit als freier Schriftsteller.

Gedankenexperiment über eine unabhängige Iberische Halbinsel

Zwischen 1980 und 1991 veröffentlichte der Autor weitere vier Romane, die nach ‚saramagischem’ Stil die ‚offizielle Geschichte’ umdeuten, indem er historischen Persönlichkeiten fiktive Figuren gegenüberstellt. So erweckt er beispielsweise im Roman „O Ano da Morte de Ricardo Reis“ („Das Todesjahr des Ricardo Reis“, 1984) eins der Heteronyme? Fernando Pessoas zum Leben.

1986 sprach er sich gegen den Beitritt Portugals und Spaniens zur Europäischen Union aus und verarbeitete dieses Thema in seinem nächsten Roman „A Jangada de Pedra“ („Das steinerne Floß“, 1986) - ein Gedankenexperiment über eine von Europa losgelöste Iberische Halbinsel.

1988 heiratete Saramago in zweiter Ehe die spanische Journalistin und Übersetzerin María del Pilar del Río Sánchez, die er 1986 kennengelernt hatte. Im darauffolgenden Jahr veröffentlichte er „História do Cerco de Lisboa“ („Geschichte der Belagerung von Lissabon“, 1989).

Der Weg ins Exil

Saramagos Themen sind nicht immer unproblematisch, seine eigene Person umstritten und bereits zu Lebzeiten kontrovers diskutiert. Als Anhänger fundamentaler Menschenrechte und Verfechter von Religions- und Meinungsfreiheit war Saramago zeitlebens ein vehementer Gegner und Kritiker der katholischen Kirche - als Portugiese in einem konservativen und streng katholischen Land ein Tabubruch.

1991 wuchs das Spannungsverhältnis zwischen ihm und der katholischen Kirche weiter an: José Saramago löste mit der Veröffentlichung seines Romans „O Evangelho Segundo Jesus Cristo“ („Das Evangelium nach Jesus Christus“, 1991) einen Skandal aus. Darin lässt er einen rebellischen Jesus Christus mit seinem Schicksal hadern und an Gott zweifeln. Wegen seiner als blasphemisch empfundenen Interpretation der Heiligen Schrift wurde er von der katholischen Kirche heftig angegriffen. Gleichzeitig kam es 1992 zu einem kulturpolitischen Eklat in Portugal, als die konservative Regierung Saramago aufgrund seines von der Kirche heftig kritisierten Romans die Teilnahme am Europäischen Literaturpreis verweigerte. Aus Protest ging der portugiesische Schriftsteller ins Exil und zog mit seiner Frau auf die kanarische Insel Lanzarote.

„Die Stadt der Blinden“ (1995)

In den folgenden Jahren - zwischen 1995 und 2005 - veröffentlichte er weitere sechs Romane, die eine neue Phase seines Schaffens darstellen, in denen die Handlungen sich nicht mehr auf feste Orte beschränken und in festgelegten Epochen ablaufen, sondern die Personen sich in der Geschichte ‚ausdehnen’.

Sein wohl berühmtestes Werk? veröffentlicht Saramago 1995 unter dem Titel „Ensaio Sobre a Cegueira“ („Die Stadt der Blinden“, 1997). Die Parabel über eine Gesellschaft, in der die Menschen plötzlich und aus unbekannten Gründen erblinden und Unterdrückung und Gewalt die Folgen sind, wurde 2008 vom brasilianischen Regisseur Fernando Meirelles (Regisseur von „City of God“ und „Der ewige Gärtner“) mit Julianne Moore in der Hauptrolle verfilmt. Die Romane „Todos os Nomes“ („Alle Namen“, 1997), über die Suche des Menschen nach seiner Identität, und „A Caverna“ („Das Zentrum“, 2000), Saramagos einziger globalisierungskritischer Roman unter Rückgriff auf Platons? Höhlengleichnis, bilden mit „Stadt der Blinden“ eine Trilogie? über die moderne Welt am Ende des Jahrtausends.

„Die Reise des Elefanten“ (2008)

Es folgten die Romane „O Homem Duplicado“ („Der Doppelgänger“, 2002), „Ensaio Sobre a Lucidez“ („Die Stadt der Sehenden“, 2004) und „As Intermitências da Morte“ („Eine Zeit ohne Tod“, 2005), in denen Saramago die kapitalistische Gesellschaft und die Rolle der zum Tode verurteilten menschlichen Existenz in Frage stellt.

Politisches Engagement zeigte sich bei Saramago nicht nur in seinen literarischen Werken?: Der Portugiese war seit 1998 ein populärer Mitstreiter der globalisierungskritischen Nichtregierungsorganisation Attac. 2004 kandidierte er bei den Europawahlen für die Kommunistische Partei Portugals, allerdings auf einem aussichtslosen Listenplatz. Für Aufregung sorgte er auch mit dem provokanten Vorschlag, sein Heimatland Portugal solle Teil von Spanien werden.

Inspiriert von der wahren Geschichte eines indischen Elefanten, der im 16. Jahrhundert eine abenteuerliche Reise von Spanien nach Wien zurücklegt, veröffentlichte Saramago 2008 den heiter-melancholischen Roman „Die Reise des Elefanten“ („A Viagem do Elefante“).

Kritik an Berlusconi und Sarkozy

Bereits ein Jahr später rief die Veröffentlichung seines letzten Buches „Caim“ („Kain“, 2009) wieder seine Gegner und Kritiker auf den Plan: Sein religionskritischer Roman brachte ihm insbesondere von Seiten der katholischen Kirche den Vorwurf der Ketzerei ein.

Doch der ‚Provokateur’ Saramago ließ sich von seinen Kritikern nicht einschüchtern und führte bis zu seinem Tod einen Internetblog, in dem seine politischen und religiösen Ansichten - vor allem die Kritik am globalisierten Kapitalismus und an Staatsmännern wie Silvio Berlusconi und Nicolas Sarkozy und nicht zuletzt an Papst Benedikt XVI. - für Aufruhr sorgten. Im Alter von 87 Jahren starb Saramago am 18. Juni 2010 in seinem Haus in Lanzarote an chronischer Leukämie. In Portugal wurde zweitägige Staatstrauer verordnet und er erhielt ein Staatsbegräbnis. Seine Asche liegt im Cemitério do Alto de São João in Lissabon.

Saramagos Stil

José Saramago war nicht nur für seine Themen, sondern auch für seinen ungewöhnlichen Schreibstil bekannt. Gemäß der Ansicht, die mündlich tradierten Überlieferungen? eines Volkes und die Lebendigkeit der Kommunikation? seien wichtiger als die Korrekturen? einer geschriebenen Sprache, verfolgt er einen ausgeprägten mündlichen Stil, der auch das Umgangssprachliche und Dialektale? der portugiesischen Sprache umfasst.

Ebenso verfährt er in seinen Werken? mit der Zeichensetzung? in überaus unkonventioneller Weise: Die Überzahl seiner Sätze? beherrschen mehr als eine Seite, Saramago benutzt dabei mit Vorliebe Kommata, während die Mehrheit der Schriftsteller die Punktsetzung benutzen würde. Die Länge seiner Absätze? entspricht dabei nicht selten der von ganzen Kapiteln anderer Autoren. Auch verwendet Saramago keine Gedankenstriche, sondern fügt die Dialoge? seiner Personen in eigenen Absätzen ein.

Diese Charakteristika machen den Stil Saramagos einzigartig in der zeitgenössischen Literatur. Von vielen Kritikern wird er als Meister im Umgang mit der portugiesischen Sprache betrachtet, so bezeichnete der nordamerikanische Literaturkritiker Harold Bloom? den „Meister“ Saramago in seinem Buch „Genius: A Mosaic of One Hundred Exemplary Creative Minds“ als den talentiertesten lebenden Romancier? in der heutigen Welt.

Übrigens ...

Auszeichnungen

Als erster portugiesischer Schriftsteller (und Schriftsteller der portugiesischen Sprache) erhielt José Saramago 1998 den Nobelpreis für Literatur. Auch gewann er viele portugiesische und internationale Preise, darunter 1996 den Prémio Camões (Camões-Preis?), den wichtigsten Literaturpreis der portugiesischen Sprache. Nach ihm benannt ist der Literaturpreis Prémio José Saramago, der seit 1999 in Portugal verliehen wird.

Werke (Auswahl)

  • Bücher von und über José Saramago bei Jokers
  • Hoffnung im Alentejo (OA: Levantado do Chão, 1980). Roman.
  • Das Memorial (OA: Memorial do Convento, 1982). Roman. Rowohlt Verlag, Reinbek, ISBN: 978-3-499-22303-7
  • Das Todesjahr des Ricardo Reis (OA: O Ano da Morte de Ricardo Reis, 1984). Roman. Rowohlt Verlag, Reinbek, ISBN: 978-3-499-22308-2
  • Das steinerne Floß (OA: A Jangada de Pedra, 1986). Roman. Rowohlt Verlag, Reinbek, ISBN: 978-3-499-22305-1
  • Die Stadt der Blinden (OA: Ensaio sobre a Cegueira, 1995). Roman. Rowohlt Verlag, Reinbek, ISBN: 978-3-499-22467-6
  • Der Doppelgänger (OA: O Homem Duplicado, 2002). Roman. Rowohlt Verlag, Reinbek 2006, ISBN: 978-3-499-23598-6
  • Die Stadt der Sehenden (OA: Ensaio sobre a lucidez, 2004). Roman. Rowohlt Verlag, Reinbek 2007, ISBN: 978-3-499-24082-9

Sekundärliteratur

  • Arnaut, Ana Paula: José Saramago. Lisboa: 2008.
  • Bloom, Harold: Genius. A Mosaic of One Hundred Exemplary Creative Minds. New York: 2003.
  • Grossegesse, Orlando: Saramago lesen. José Saramago: Werk, Leben, Bibliographie. Berlin: 2009.

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